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Pädophilie: Sünde sucht Sündenbock

Pädophilie im Internet zeigt keine Täter, auch deshalb wird wegen der Missbrauchsaffäre am Berliner Canisius-Kolleg allein der Klerus angeklagt

Die Pädophilen im Land können aufatmen. Gerade hatte die Debatte um die Kinderschändung im und ums Internet eine breite Öffentlichkeit erreicht, da zieht die katholische Kirche alle Aufmerksamkeit auf sich. Irlands Klerus und Berlins Canisius-Kolleg stehen für ein und denselben Vorgang: Priester vergehen sich an Kindern und Jugendlichen.

Der Vorgang, das Verbrechen, denn nichts anderes ist das Ausnutzen von Abhängigkeit, illustriert auf erstaunliche Weise, dass der weitverbreitete Hass auf diese Kirche größer ist die allgemeine Abscheu vor der Pädophilie. Es ist so naheliegend, so einfach wie eingängig: eine repressive Sexualmoral, der Zölibat, die strikte Hierarchie, diese merkwürdige Figur eines „Heiligen Vaters“ an der Spitze, da drängt sich der Kurzschluss vom Sakralen zum Sexuellen geradezu auf. Die Banalität ist noch steigerbar. Wer Geistlicher in der katholischen Kirche werden wollte, der wusste schon warum. Der Einzelfall gerät außer Betracht, die Häufigkeit steht außer Frage, die Sache ist pandemisch.

Das Verhältnis von Kindern zu Erwachsenen ist immer auch von Intimität geprägt, in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, im Sportverein. Sage keiner, dass es gerade in der Schule nicht zu halb bis explizit sexuellen Handlungen zwischen Lehrern und Lehrerinnen sowie Schülern und Schülerinnen kommt. Die obsessiven Träume vom abseitigen Kindersex machen vor keinem Alter, keiner sozialen Schicht, keiner Haustür, keinem PC halt. Die Pädophilie, wie sie sich im Internet präsentiert, zeigt Opfer, aber keine Täter. Da kommt die katholische Kirche gerade recht. Ihre Struktur, ihre Vertreter, das sind genau die Gesichter, die solch ein Verbrechen braucht; Gesichter, die – ja, vielleicht – eine Gesellschaft braucht, die ein Problem nur nach der Geschwindigkeit seiner Lösung bemessen kann. Wenn die Debatte so weiterläuft, wird an deren Ende der katholischen Kirche das Monopol auf Missbrauch zuerkannt. Jede Bagatelle wird sofort zum Skandal. Sünde findet ihren Sündenbock.

Das ist besonders leicht, wenn etwa der Augsburger Bischof Walter Mixa der „sogenannten sexuellen Revolution, in deren Verlauf von besonders progressiven Moralkritikern auch die Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefordert wurde“, die Verantwortung zuschiebt? Es nutzt seiner Institution, der Aufklärung über und dem Kampf gegen Pädophilie rein gar nichts, wenn der Missbrauch in den eigenen Reihen zur Schuldfrage der anderen gemacht wird.

Die anhaltende Diskussion zeigt sehr deutlich, dass das Thema nicht in seiner Breite erfasst wird. Es drängt in die Spitze und just dorthin, wo die katholische Kirche steht. Sancta simplicitas. Alle Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, ziehen Menschen an, die den Missbrauch suchen. Immer und überall muss dagegengehalten werden. Da kann die katholische Kirche vorneweg sein, ihre Aufgabe, ihre Aufmerksamkeit und ihre Anerkennung finden. Sie muss es ihren Gegnern schwer machen, nicht leicht.

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