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"Enthaltung ist keine Haltung". Außenminister Westerwelle mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas

© dapd

Palästinenser-Aufwertung in der Uno: Gibt es noch eine deutsche Außenpolitik?

Die Enthaltung bei der Uno-Abstimmung über den Status der Palästinenser zeigt wieder, wie Schwarz-Gelb das Außenamt abwertet. Außenpolitik erfordert die Vertretung der Landesinteressen mit klarer Haltung. Geht das so weiter, wird sich an Deutschland niemand mehr orientieren.

Deutsche Außenpolitik – gibt es noch eine Politik, die diese Bezeichnung verdient? Vorbei, ein dummes Wort, sagt Goethe, aber was nach Rot-Grün und Schwarz-Rot geschehen ist, lässt viele sich mit Grausen wenden, nicht zuletzt im Außenamt selbst. So eine Abwertung dieses Amts nach innen wie nach außen wird bald nicht mehr einfach zu beheben sein. Heute muss niemand mehr in einer wichtigen Frage das Außenamt, genauer: den Außenminister, fragen. Seine Haltung ist, wenn es darauf ankommt, zu gern eine Enthaltung. Das aber ist keine Haltung. Unentschiedenheit als Cleverness auszugeben, kann vielmehr ein Zeichen von Werteverlust sein.

Zwei Beispiele. Erstens: Israel und Palästinenser. Das Thema spaltet erkennbar die Europäische Union – und Deutschland versucht, das zu überdecken, indem es sich jetzt bei einer wichtigen Abstimmung in den UN enthält? Wie bei Libyen? Das soll dynamisch und offensiv sein, den Weg zu gemeinsamen Positionen der EU öffnen? So bestimmt nicht.

Dabei zählt der amtierende Amtsverweser zu den Kritikern der Haltung, dass es den Nahost-Friedensprozess fördern würde, die Palästinenser in der Uno als Staat zu behandeln. Der deutsche Minister sieht darin sogar eine ernsthafte Belastung. Aber Deutschland, stärkste wirtschaftliche und eine herausragende politische Macht in Europa, vermeintlicher Partner der USA in der Führung der westlichen Welt – Deutschland enthält sich. Die USA stimmen eindeutig ab: mit Nein.

Da hilft es jetzt auch nichts, wenn einzelne Abgeordnete des Auswärtigen Ausschusses die Haltung als ein „Nein“ der Bundesregierung beschwören. Denn klar ist: Wer den Status der Palästinenser bei den Vereinten Nationen aufwertet, wertet damit automatisch auch die Hamas auf, und die wird als terroristische Vereinigung eingestuft. Keiner kann sich darauf verlassen, dass eine Zustimmung in den UN die Position von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas stärkt, es gibt keine Sicherheit, nichts, dass die Hamas dann das Existenzrecht Israels anerkennen wird. Ohne das aber wird es keinen Frieden in Nahost geben. So viel ist klar, und deshalb stimmen die USA mit Nein. Die deutsche Haltung: eine Enthaltung.

Sie heilt auch nicht das Argument, dass Europa nicht durch zu viele unterschiedliche Voten geschwächt werden soll. Spanien, Frankreich und Britannien machen ihre eigene Position nicht von der deutschen abhängig. Will heißen: Eine gemeinsame EU-Außenpolitik darf man sich nicht nur wünschen – der Außenminister muss gerade in wichtigen Fällen mit allem Engagement und aller Entschiedenheit versuchen, sie herbeizuführen.

Das gilt auch für das zweite Beispiel, Ungarn. Ohnedies zum Problemstaat der EU geworden, will dort nun auch noch die rechtsgerichtete Jobbik-Partei Juden im Land als Sicherheitsrisiko registrieren, ausgehend von dem Konflikt Israels mit der Hamas im Gazastreifen. Wenn das keine Assoziationen weckt – und das hiesige Außenamt aufschreckt. Längst schon hätte ein Schwerpunkt europäischer deutscher Politik die mangelhafte demokratische Entwicklung dieses vormaligen Musterstaats sein müssen.

Außenpolitik, das sind weniger Reisen in die Ferne als die Vertretung der vorrangigen Interessen des Landes mit Umsicht, klarer Haltung und dabei auch mit der Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Zu anderen Zeiten wurde Deutschland in der Welt als Orientierungsmacht in Europa angesehen. Geht das so weiter, dann nicht mehr. Vorbei – zu dumm, wenn dieses Wort gelten würde.

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