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Er scheut nicht vor großen strategischen Zielen zurück: Der Bundesvorsitzender der Piratenpartei, Sebastian Nerz.

© dpa

Parteichef Sebastian Nerz: Piraten planen schon für Regierungsbeteiligung

Parteichef Nerz denkt laut über Bedingungen nach, die seine Partei für eine Koalition auf Bundesebene stellen könnte. Nur zu, meint Karin Christmann. Von Krämerseelen sollte sich ein wahrer Stratege nicht stören lassen.

Polit-strategische Weichenstellungen sind von der Piratenpartei zu vermelden. "Wir werden keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem eine Fortsetzung der Vorratsdatenspeicherung vorgesehen ist", hat Sebastian Nerz, Bundesvorsitzender der Piratenpartei, die Passauer Neue Presse wissen lassen. Oha, soso. Ist denn die schwarz-gelbe Koalition gescheitert, sind denn die Piraten bereits als 18-Prozent-Partei des Jahres triumphal in den vorzeitig neu gewählten Bundestag eingezogen? Die Antwort, Stand 2. Januar 2012, 16:30 Uhr, lautet: Nein. Nichts von alledem.

Doch durch solche Einwände, wie sie nur eine Krämerseele vorzubringen vermag, sollten Nerz' Ausführungen gar nicht gestört werden. Auch von gelegentlicher Kritik muss sich Nerz nicht irritieren lassen, etwa davon, dass der Berliner Piratenabgeordnete Simon Weiß im Oktober per Twitter verkündete, Nerz rede "am laufenden Band Unsinn" und treffe "nicht direkt legitimierte politische Aussagen". Immerhin sind sich die Piraten, ganz die künftigen Königsmacher, offenbar ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst. Das ist mehr als über manche aktuelle Regierungspartei gesagt werden kann. Und Nerz (möglicherweise nicht nur Politstratege, sondern auch Glaskugelbesitzer) hat schließlich eine andere, gleichfalls entscheidende, Information mitgeliefert: "Bei der Bundestagswahl 2013 werden wir ins Parlament kommen. Da bin ich mir sicher."

Dann hat ja alles seine Richtigkeit, und die Piraten können sich ohne Umwege koalitionsarchitektonischen Fragen widmen. Es mag ungeschickt gewesen sein, dass Nerz im selben Interview zu Protokoll gab: "Niemand sollte Detailkonzepte von uns erwarten. Das würde uns überfordern." Aber auch darüber soll für den Moment hinweg gesehen werden, schließlich, auch das haben die Monate seit der letzten Bundestagswahl bewiesen, lässt es sich ohne Detailkonzepte durchaus regieren. Zur Sache also:

Werden die Piraten sich mit drei Bundesministerien zufrieden geben? Wer übernimmt die Vize-Kanzlerschaft: Die Berliner Piratenabgeordnete Susanne Graf, um der lästigen Diskussion um innerparteiliche Geschlechtergerechtigkeit ein Ende zu setzen? Ein Neuling, von der Parteibasis per Liquid Feedback-Verfahren bestimmt, der frischen Wind in den Kabinettssaal bringt? Jener Berliner Pirat, der bereits angekündigt hat, für einen Platz auf der Bundestagsliste zu kandidieren und so vielleicht das Recht des Schnellen für sich beanspruchen kann?

Werden die Piraten sich auch im Bundestag mit den Plätzen der aus dem Parlament geflogenen FDP zufrieden geben - oder setzen sie hier endgültig ihre eigenen Sitzordnungswünsche durch? Und, natürlich darf diese Frage nicht vergessen werden: Wer darf gemeinsam mit den Piraten am Regierungstisch Platz nehmen?

"Meine Traumkonstellation wäre immer eine Koalition mit Grünen und FDP", hat Nerz gesagt - aber auch hinzugefügt, dass dafür keine Regierungsmehrheit in Sicht sei. SPD und Union dürfen also weiter hoffen. Und vielleicht nutzen ja auch die Piraten die Zeit bis zur Übernahme der Regierungsgeschäfte. Zum Beispiel damit, gelassen zu bleiben, gute Arbeit zu leisten und nicht fortlaufend durch Pannen und Skandälchen aufzufallen. Das wäre mehr als die Berliner Piraten-Avantgarde bisher von sich behaupten kann.

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