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Parteien der Stadt: Was Berlin blüht

Er hat gekämpft. Und gewonnen. Die Abstimmung über den Weiterbau der A 100 hätte auch anders ausgehen können – Klaus Wowereit weiß das selbst am besten. Gebaut ist das umstrittene Stück der Stadtautobahn damit längst nicht.

Er hat gekämpft. Und gewonnen. Die Abstimmung über den Weiterbau der A 100 hätte auch anders ausgehen können – Klaus Wowereit weiß das selbst am besten. Gebaut ist das umstrittene Stück der Stadtautobahn damit längst nicht. Zumal auch der Koalitionspartner, die Linke, gegen das Projekt votierten, pikanterweise erst nachdem die SPD-Delegierten vor einem Jahr die im Koalitionsvertrag vereinbarte Trasse aufgaben. So viel zum Thema politische Berechenbarkeit. Der Abstimmungserfolg war dennoch wichtig, um zu zeigen, dass dieser Regierende Bürgermeister noch etwas bewegen kann und will.

Die knappe Mehrheit aber zeigt, welch selbstbezogenes Eigenleben so mancher Funktionär in dieser von fast 21 Jahren Machtteilhabe verschlissenen Berliner SPD führt. Wo es langgehen soll, ist nicht einmal für die Genossen an der Basis sichtbar, noch weniger für die Berliner, die im Herbst 2011 die Wahl haben. Weiter so statt neuer Ideen bei der SPD. Auch mit der Linken gibt es kaum noch gemeinsame Projekte. So pragmatisch, so verlässlich die Linkspartei ist, so entbehrlich ist sie zugleich geworden. Die Agenda ist abgearbeitet, und für Radikalismen à la Lafontaine besteht bei den Wählern an der Spree kein Bedarf. Die votieren lieber für die kuschellinken Grünen, die bei 25 Prozent Zustimmung und nahezu gleichauf mit den Sozialdemokraten liegen.

Wowereit hat erkannt, dass er kämpfen muss: gegen die wachsende Wechselstimmung. Und zwar besonders, wenn es im Bundes-Berlin noch etwas werden soll mit der Karriere. Soziale Stadt, Wirtschaftswachstum und Schule, das sind die Themen, die entscheidend für einen Wahlerfolg sein werden. Scheitert die neue Sekundarschule, bleibt in der Hauptstadt die Arbeitslosenquote weiterhin die höchste der Republik, und werden die Mieten in der Armenmetropole für immer mehr Menschen unbezahlbar, dann braucht Wowereit erst gar nicht wieder anzutreten. Das hat er begriffen. Vorbei die Monate, als er auf den Bund schaute und vergaß, was seines Amtes ist, während die Berliner unter vereisten Bürgersteigen und dem S-Bahn-Chaos litten. Aber verloren gegangenes Vertrauen zurückzuholen, dauert länger, als es zu verspielen. Wenn es überhaupt gelingt.

Womit Renate Künast zum Thema wird. Auch wenn ihre Partei und sie sich noch mit der öffentlichen Festlegung zieren, die Berliner Vorzeige-Grüne wird als Spitzenkandidatin antreten. Die in aufgeregten Tagen aufscheinenden Neuwahlen im Bund – und damit eine andere Aufgabe für die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag – wird es nicht geben, weil weder Schwarz noch Gelb daran Interesse haben. Und weil der Aktienkurs der Grünen immer weiter steigt, vor allem bei den liberal-bürgerlichen Berlinern. Die Grünen sind Gewinner des demografischen Wandels und des Zuzugs hunderttausender Neu-Berliner.

Deswegen kann der sympathische Heilsbringer der Berliner CDU, der Marketingspezialist Thomas Heilmann, noch so überzeugt vom gelungenen „Turnaround“ der Christdemokraten sprechen – mehr als die Stimmung hat sich bei der leidgeprüften Berliner Union noch nicht verbessert. Die eloquente und kulturbeflissene Monika Grütters wiederum, die sich einige als CDU-Spitzenkandidatin wünschen, hat beim realkonservativen Unterbau der Partei ebenso wenig Chancen wie der im Herzen grün-bewegte Heilmann.

Nur müssten die Grünen endlich mal sagen, was sie für Berlin wollen, falls sie an der Spree mitregierten. Personalabbau im öffentlichen Dienst, Privatisierung der BVG oder der Abbau des Berliner Schuldenbergs – da ist wenig zu hören. Schweigen ist Grün. Die Grünen sind gegenwärtig die größtmögliche Projektionsfläche für unterschiedlichste Erwartungen. Dies zu ändern haben die Grünen erkennbar keine Eile; die Ökopartei zu stellen, sie zum klaren Aussagen zu zwingen, wird die Aufgabe von Wowereit sein. Schließlich ist es für die SPD eine Horrorvorstellung, Juniorpartner der Grünen zu sein unter einer Regierenden Bürgermeisterin Künast. Diesen Kampf zu führen, daran hat Wowereit vielleicht mehr Spaß. Und vielleicht kämpft dann sogar seine Partei mit.

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