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Parteien: Lichtes Grün

Die Grünen bleiben unberechenbar: Hoffnungsträger Cem Özdemir wird öffentlich gedemütigt, die Finanzkrise setzt die Partei unter Druck und die Machtperspektive schwindet: Für die Ökopartei wird’s schwer.

Von Hans Monath

Zumindest in ihrer Unberechenbarkeit sind sich die Grünen treu geblieben, wie die Blamage des Cem Özdemir gezeigt hat: Es gibt keine andere Partei, die so gründlich und unschuldig einen ihrer Hoffnungsträger demontiert. Doch in der Aufgeregtheit um die Demütigung des designierten Parteichefs droht die zentrale Frage verloren zu gehen, wie gut die Grünen denn strategisch für das Wahljahr 2009 aufgestellt sind.

Da ist zunächst die Finanzkrise, zu der den Grünen zwar eine kluge Parallele einfällt, die sie aber womöglich stärker als andere Parteien unter Druck setzt. Im Angesicht des 500-Milliarden-Rettungspakets ist die Empörung darüber groß, dass nun die Allgemeinheit für die ausgelagerten Kosten eines unkontrollierten Systems aufkommen soll. Die Grünen verweisen darauf, dass auch die ökologischen Kosten unseres Wirtschaftens großzügig ausgelagert werden und der entstehende Schaden – etwa durch Dürren oder katastrophale Unwetter – jeweils von ganzen Gesellschaften aufgefangen werden muss, wenn die Nutznießer ihr Geld längst in Sicherheit gebracht haben. Soll sagen: Der Finanzcrash ist die Blaupause, die grüne Grundforderungen nach ökologischer Regulierung als Gebot der Stunde erscheinen lässt.

Ob dieser gedankliche Schluss im kommenden Jahr auch die Wähler überzeugt, ist freilich eine völlig andere Frage. Denn recht haben und recht bekommen sind auch in der Politik unterschiedliche Kategorien. Und machtpolitisch ist in den Augen der Deutschen gegenwärtig jede Regierung mit Grünen-Beteiligung ein Wagnis. Solange die Unsicherheit dauert und eine Rezession droht, werden sich nur wenige für ein Experiment wie die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen begeistern. Aus der Krise könnte auch im Herbst 2009 die große Koalition als Sieger hervorgehen.

Dazu kommen Entwicklungen, für die die Ökopartei mit verantwortlich ist: Viel Mühe haben vor allem die Realpolitiker darauf verwendet, ihre Partei aus dem rot-grünen Lager zu lösen und ihre Eigenständigkeit zu betonen. Doch zunehmend wird die grundsätzliche Öffnung zu den Bürgerlichen aus der Ökopartei heraus wieder infrage gestellt. Seitdem die Union den Ausstieg aus dem Atomausstieg predigt, glauben auch die Protagonisten kaum mehr an die Möglichkeit einer Jamaika-Koalition. Auch der Ausgang des für Cem Özdemir so bitteren Parteitags von Schwäbisch-Gmünd lässt den Schluss zu, dass selbst die realpolitischen Grünen aus Baden-Württemberg nicht mehr nach den Zumutungen der Macht streben, sondern nach den Gewissheiten der Opposition. Neue Wähler für eine Partei zu gewinnen, die kaum eine Machtperspektive hat, ist eine undankbare Aufgabe.

Ob Cem Özdemir in seinem künftigen Amt strategisches Geschick beweisen wird, weiß heute noch niemand. Eines aber dürfte der designierte Parteichef schon ahnen: Selbst wenn er im November auf dem Grünen-Parteitag mit unwahrscheinlichen 100 Prozent Zustimmung gewählt werden sollte, käme auf ihn ein undankbarer Job zu.

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