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Ab und zu ganz einträchtig: Kipping und Gabriel bei der 150-Jahr-Feier der SPD.

© dpa

Parteien: SPD und Linke: Geschichte einer Hassliebe

SPD und Linke kommen auch deshalb nicht zueinander, weil sie sich seit mehr als zwei Jahrzehnten gegeneinander profilieren. Doch wenn nach der Bundestagswahl wieder mehr Annäherung stattfindet, dann stellen sich schon bald ganz andere Fragen.

Als Oskar Lafontaine nicht mehr SPD-Vorsitzender war, aber noch SPD-Mitglied, da dachte er im Jahr 2001 einmal über den „langfristigen Zusammenschluss“ von SPD und PDS nach. Die Empörung war groß. „Absurd“ nannten Sozialdemokraten die Idee und „völlig abwegig“. Aber auch PDS-Politiker konnten dieser Idee wenig abgewinnen. Für sie war der Vorschlag „weder realistisch noch wünschenswert“, der damalige Parteichef Lothar Bisky gab zu Protokoll, sein Bedarf an Einheitsparteien sei gedeckt.

Die Frage allerdings, warum diese Idee so abwegig und so absurd ist, diese Frage gilt auf beiden Seiten des linken Grabens als tabu.

Stattdessen verbindet SPD und Linke, die Partei, die gerade ihren 150-jährigen Geburtstag feierte und jene, die aus der Fusion von PDS und WASG hervorgegangen ist, eine intensive Hassliebe. Mal flirten Sozialdemokraten und Linke miteinander, dann herrscht wieder Funkstille, mal beschimpfen sich Politiker beider Parteien, werfen sich gegenseitig den Verrat sozialdemokratischer Ideale vor. Dann stellen die Genossen von SPD und Linke wieder fest, dass nur CDU und CSU davon profitieren, wenn SPD und Linke nicht zueinander kommen. Seit 1990 geht das so und gelegentlich fühlt man sich dabei wie in dem Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“.

Schon 1990 versäumte es die SPD, sich mit dem Reformerflügel der SED zusammen zu tun und das schnelle Ende der SED-PDS zu besiegeln. Während die CDU keine Scheu hatte, sich ruckzuck ein paar Blockparteien einzuverleiben, glaubten die Sozialdemokarten die ehemalige DDR mit ein paar tapferen ostdeutschen und bürgerbewegten Sozialdemokraten erobern zu können. Dabei gab es in der SED durchaus viele aufrechte Mitglieder, die sich während der friedlichen Revolution in der DDR gegen den Stalinismus aufgelehnt hatten und für die SPD in Ostdeutschland eine Stärkung hätten sein können. Die Sozialdemokraten trauten sich nicht, allen voran der damalige Parteichef Hans-Jochen Vogel senkte den Daumen.

So tappten die Sozialdemokraten in die machtstrategische Falle. Zwei Jahrzehnte lang ließ sich die SPD von den Christdemokraten mit Roten-Socken-Slogans in die Defensive drängen. Die sozialdemokratische Hoffnung, das Problem PDS werde sich schnell erledigen, trog. Stattdessen wuchs nach der Wende im Osten eine neue Generation von linken Politikern heran und nach der Agenda 2010 erhielt die Partei im Westen Zulauf von vielen enttäuschten Sozialdemokraten. Den Rest erledigte Oskar Lafontaine, der nach seinem Übertritt von der SPD zur Linken ab 2005 von dem manischen Eifer getrieben war, seine ehemaligen Parteifreunde des Verrats an sozialdemokratischen Idealen zu bezichtigen. SPD und Linke standen sich fortan gegenseitig im Weg.

Der rot-rote Senat in Berlin, der die Hauptstadt von 2001 bis 2011 nicht ohne Erfolg regierte, hätte als Modellprojekt für die Annäherung beider Parteien im Bund dienen können. Doch dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit fehlte dazu das politische Format. Andrea Ypsilanti wiederum bereitete die rot-grüne und von den Linken tolerierte Minderheitsregierung 2008 in Hessen so dilettantisch vor, dass sie scheitern musste. Der politische Flurschaden war gewaltig. So ist die Geschichte des Verhältnisses von SPD und Linke auch eine Geschichte der verpassten Chancen.

Vier Wochen vor der Bundestagswahl wird nun einmal mehr sehr intensiv über das Verhältnis von SPD und Linke spekuliert.

Wie immer, wenn es auf den Wahltag zugeht, macht die Linke der SPD Avancen, wie zuletzt Katja Kipping in der Septemberausgabe des Magazins Cicero. Wobei die Parteichefin das linke Stöckchen genau so hoch hält, dass sie genau weiß, die Sozialdemokraten können nicht darüber springen. So gilt ihr Abgebot vor allem der parteipolitischen Profilierung. Aber insgesamt hat die Linke nach dem Rückzug von Oskar Lafontaine aus der Bundespolitik wieder rhetorisch abgerüstet.

Aber auch bei der SPD tut sich was. Weil die rot-grüne Machtoption in weite Ferne gerückt ist, schielen viele Sozialdemokraten nach links. Offiziell hat die SPD zwar auch in diesem Wahlkampf einer Zusammenarbeit mit der Linken nach dem 22. September sowie einem rot-rot-grünen Bündnis eine Absage erteilt. Gleichzeitig jedoch machen die „stillen rot-rot-grünen Pläne" von SPD-Chef Sigmar Gabriel Schlagzeilen. Spätestens 2017 soll es soweit sein. Dann ist die Wende-Generation in beiden Parteien abgetreten und beide Seiten können sich sehr viel unbefangener begegnen.

Und spätestens 2017 wird sich dann auch die Frage nach einem Zusammenschluss beider Parteien wieder stellen. So absurd und abwegig ist der Gedanke überhaupt nicht. Wenn sich SPD und Linke nicht mehr permanent voneinander abgrenzen, dann werden sich viele Wähler fragen, warum es in Deutschland zwei sozialdemokratische Parteien geben soll. Eine, die eine 8,50 Euro Mindestlohn fordert und eine, die 10 Euro veranschlagt. Eine, die für eine Vermögenssteuer eintritt und eine andere, die auf eine Millionärssteuer setzt. Es mag sein, dass das Zukunftsmusik ist, aber manchmal kommt die Zukunft schneller als man denkt.

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