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Wozu brauchen wir noch die Grünen?

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Parteien: Wozu Grün wählen?

Wofür stehen die Grünen heute?, fragt sich Stephan-Andreas Casdorff. Die Partei wollte einst die Welt retten – nun kämpfen ihre Spitzenpolitiker nur noch mit der eigenen Eitelkeit. Die sollten sie für andere Dinge einsetzen, schlägt der Autor vor.

Es war einmal eine Sammlungsbewegung, die wirklich etwas grundlegend verändern wollte. Die zum Beispiel fand, dass Auseinandersetzungen Zusammensetzungen sein sollten. Die Mitglieder dieser Sammlungsbewegung debattierten, bis sie eine Lösung gefunden hatten, die eine Mehrheit tragen oder ertragen konnte. Bis zur Erschöpfung wurden inhaltliche Diskussionen geführt, die Heterogenität war für viele Ansporn, nicht Hindernis. Weil es ja auch um viel ging: die Rettung der Welt. Buchstäblich. Denn es ging um die Umwelt und um Frieden mit weniger Waffen. Es ging um eine neue, emanzipierte und emanzipatorische Gesellschaft. Es ging ums Morgen.

Ja, richtig, das waren die Grünen. Ob Ökosozialisten, Ökolibertäre, Radikalökologen, Ex- KBWler, Pax-Christi-Anhänger, christliche Umweltaktivisten aus der Herbert-Gruhl-Ecke – sie kamen zusammen, schlossen sich zusammen. Aber nicht, um so zu werden wie all die anderen, sondern um eine offene Partei neuen Zuschnitts zu schaffen. Der Zusammenschluss nach der großen, der wirklichen Wende mit dem ostdeutschen Bündnis 90 war auch noch anders als bei jeder anderen Partei: Der gelang, im Vergleich, auf Augenhöhe und kooperativ. Sie wollten sich halt morgen noch in die Augen schauen können.

Und heute? Jahrzehnte sind vergangen, und diese Frage stellt sich eindringlicher denn je: Wofür noch Grüne? Oder genauer: Wozu Grün wählen? Wofür sie (wieder) die Macht im Bund wollen, was sie haben, das andere inzwischen nicht auch hätten – das zu klären, ist die Aufgabe im Jetzt.

Denn selbst die Konservativen sind moderat geworden. Die Abkehr von der Atomenergie, die Abschaffung der Wehrpflicht, die gleichgeschlechtliche Ehe, die steuerliche Gleichbehandlung nicht ehelicher Lebensgemeinschaften, für alles das braucht es die Grünen schon mal nicht mehr. Das kommt alles, wird alles. Dass sie es früher als andere gefordert haben, das Original sind, begründet nicht die Stimme für die Grünen; nun, da es vor allem ums Praktische geht. Für innovative Sozialpolitik stehen sie immer noch nicht, ihre erfolgreichsten Wirtschaftspolitiker sind mit Erfolg verdrängt, liberale Justizpolitik macht die FDP – was also bleibt?

Es bleibt, wie bei den anderen, der Kampf um Macht. Die auch Pfründe bedeutet, Alterssicherung. In der älteren Generation sind die Grünen eine Größe. Aus biografischen Gründen, aus politisch-romantischen, aus Gewohnheit. Jetzt noch mal von vorne anfangen? Das ganze Theater, wie bei den Piraten gerade? Das erfordert eine Kraft, die viele nicht mehr haben; oder die sie aufsparen. Doch nicht für den Meinungsstreit.

Sie debattieren sich die Köpfe heiß über – Spitzenkandidaten! Als könnten Grüne den Kanzler stellen. Als sei nicht spätestens seit der Berlin-Wahl klar, dass sie am meisten bewegen, wenn sie sich zum Team versammeln. Und wenn schon eitel, dann darin, dass niemand sie in ihren Zukunftskonzepten übertreffen soll. Aber das ist eine Idee von gestern.

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