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Parteienlandschaft: Die Rechte wird links

Schill und NPD, das war einmal: Protestwähler im Westen wählen lieber dunkelrot. Der Linken ist dort offenbar gelungen, was sie in ihren alten Hochburgen im Osten nicht mehr schafft.

Von Frank Jansen

Man darf sich wundern. Es ist noch nicht allzu lange her, dass in Hamburg ein Rechtspopulist namens Schill fast 20 Prozent der Stimmen holte und dann sogar Innensenator wurde. Am Sonntag dagegen gingen Rechtspopulisten und -extremisten gnadenlos ein. Die Liste des früheren Justizsenators Roger Kusch schaffte ein halbes Prozent, die DVU blieb bei 0,8 Prozent hängen. Das ist auch ein finanzielles Debakel, denn die Erstattung von Wahlkampfkosten durch den Staat gibt es erst bei mindestens einem Prozent. Ähnlich mickrig schnitt die NPD vor vier Wochen in Hessen und Niedersachsen ab. Der Protest in den zwei Flächenstaaten und der Hansestadt kennt vor allem eine Farbe: rot. Dunkelrot.

Der Linken ist offenbar gelungen, was sie in ihren alten Hochburgen im Osten nicht mehr schafft: den Unmut und die Politikverdrossenheit vieler Wähler, vielleicht auch fundamentale Opposition zur demokratischen Grundordnung so zu vereinnahmen, dass andere Rebellen weitgehend auf der Strecke bleiben. Da kommt der Linken ein Verdienst zu, das kaum benannt wird: Sie hat den Sprung der rechten Parteien von deren Basis in den Landtagen Sachsens, Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns in die Westparlamente blockiert. Wahlerfolge von NPD und DVU bleiben auf die neuen Länder beschränkt.

Auch die Miniausnahme Bremen ist kein Widerspruch. Dort errang die DVU im Mai 2007 ein Mandat. Der Abgeordnete wurde dann aber aus der Partei vergrault. Außerdem war Bremen immerhin das erste westdeutsche Land, in dem die Linke ins Parlament einzog.

So ist die Lafontaine-Partei bundesweit eine Adresse für Protest, die rechten Ultras sind es nur im Osten. Da kann der Westen, so scheint es, ein wenig aufatmen: Lieber Linkssozialisten im Parlament als Neonazis. Zumal die Linke lernfähig ist: In Niedersachsen flog die Kommunistin Christel Wegner aus der Fraktion, als sie die Rückkehr der Stasi propagierte. Bei der NPD können Abgeordnete ungestraft von der Wehrmacht schwärmen und die Opfer des NS-Terrors verhöhnen.

Es ist allerdings absehbar, dass der Erfolg der Linken im Westen nur zeitweise Rechtsextremisten behindert. Zur Erinnerung: Schill bekam 2001 etwa 13 Prozent mehr, als die Linke jetzt in Hamburg verbucht hat. Diese 13 Prozent, die vor allem auf law and order abonniert waren, sind nicht verschwunden, aber Schills unrühmlicher Abgang und das Wahldesaster des hessischen Volkstribuns Roland Koch schrecken ab. Die Linke, beim Thema innere Sicherheit gar kein Hardliner, nimmt den Rechten indes nur deren Anteil am antikapitalistischen Protestpotenzial weg, vor allem Arbeitslose. Im Osten gelingt selbst das nicht mehr überall. Dort konnte ihr die NPD mit pseudosozialen Parolen viele Wähler entwinden. Außerdem gilt die Linke hier als eine Art etablierter Protest, der auch durch den Eintritt in Regierungen an Glaubwürdigkeit verlor. Im Westen ist der Charme der roten Revolte weitaus frischer. Erst mal.

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