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Parteienlandschaft im Umbruch: Die Linken verspielen ihre Chancen

Vier mehr oder weniger linke Parteien richten sich offenbar lieber in der Oppositionsrolle ein, anstatt über ihre eigenen Schatten zu springen. Der Führungsstreit in der Linken ist nur ein Beispiel dafür.

Von Matthias Meisner

Das Herz schlägt links, für die meisten Deutschen gilt das auch politisch. Eigentlich ist das eine interessante Perspektive in Zeiten der Kapitalismuskrise. Vor der nächsten Bundestagswahl gibt es Bewegung in einem Spektrum zwischen SPD, Piraten, Grünen und Linkspartei, ungewohnt viel Bewegung sogar. Ein Spektrum, wohlgemerkt, kein Lager. Denn so gut wie nichts spricht dafür, dass aus einer rechnerischen linken Mehrheit 2013 eine Bundesregierung wird. Eitle Akteure, gekränkte Eitelkeiten, ein gemeinsames Projekt als Alternative zu Schwarz-Gelb vermag keine der Parteien zu entwickeln.

Da hilft es jetzt auch nichts, dass Gesine Lötzsch als Vorsitzende der Linken nun zurückgetreten ist. Nur vage ist die Hoffnung, dass die Krankheit ihres Mannes, die sie zum Rückzug bewogen hat, der Linken Gelegenheit gibt, ihre Leiden zu lindern. Es sind keine Kinderkrankheiten mehr. Ein personeller Aufbruch – und das mit Oskar Lafontaine, dem Holzhammer-Anführer? Die Vorstellung ist bizarr und doch eine, die sich die meisten in seiner neuen Partei sehr gut vorstellen können. Jetzt schon ist Lafontaine 68, fünf Jahre älter als sein Kompagnon Gregor Gysi. Gemeinsam können sie im Bundestagswahlkampf wieder tröten gegen Hartz IV. Diesmal werden sie ihren Genossenverein alt aussehen lassen. Auch wenn die beiden nicht so naiv sein werden, Jubel-Briefe an Fidel Castro zu schreiben und wirr über Wege zum Kommunismus zu philosophieren.

So ganz anders erscheinen dagegen die Piraten: neu, jugendlich, unverbraucht, sogar ein bisschen rebellisch. Der Wähler beginnt sie gerade zu schätzen als Protestpartei, rascher als gedacht steigt sie auf in den Umfragehimmel. Doch Protestierer wollen sie nicht sein. Offenheit, neue Formen der Parteiarbeit – hey, ihr anderen, da lässt sich etwas abschauen! Aber schon wendet sich die politische Unerfahrenheit der Internet-Aktivisten ins Manko. Auch bei den Piraten okkupieren Spinner Terrain, bloß meist nicht im muffigen Hinterzimmer einer Kneipe, sondern mit hingepöbelten Twitter-Botschaften. Die Grünen und die Linkspartei verlieren an Zustimmung, weil sie als zu etabliert gelten. Während sich die Piraten ohne Gesichter und konsistentes Programm mutmaßlich nicht dauerhaft etablieren können.

Was heißt das für die größte Oppositionspartei, die SPD? Das wäre mal was, wenn die das selbst wüsste. Sie träumt von einer eigenständigen rot-grünen Mehrheit. Mit Sigmar Gabriel beharrt auch Claudia Roth darauf, wider alle jüngsten Wählerwanderungen. Wer bei Sozialdemokraten oder Grünen über dieses schwerlich mehrheitsfähige Option hinausdenkt und nach inhaltlichen Anknüpfungspunkten zum Beispiel bei der Linkspartei sucht, gerät in die Sektiererecke. Lieber sollen die Linken nach und nach wieder aus den West-Länderparlamenten gedrängt und die Piraten rechtzeitig vor der Bundestagswahl unter fünf Prozent gedrückt werden.

Nein, grundsätzlich ist Opposition nicht Mist. Aber die Opposition macht Mist, weil sie gerade die Chance auf mehr Gestaltungsspielraum verspielt. Sie sammelt Ausreden – siehe Lafontaine –, um nach einem gemeinsamen Nenner nicht suchen zu müssen. Der Pakt zwischen SPD und Grünen hält gerade noch. Wenn die Sozialdemokraten 2013 Juniorpartner werden in einer großen Koalition, werden vier mehr oder weniger linke Parteien erklären müssen, warum sie es gemeinsam vermasselt haben und Ausgrenzung ihnen wichtiger war als Wandel.

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