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Parteiverbot: Rückschlag für Türken und Kurden gleichermaßen

Das Verbot der kurdischen Partei DTP dürfte das politische Klima in der Türkei verschärfen. Schuld trägt sowohl die Partei als auch die Regierung. Ein Ausweg aus der Krise liegt in entschlossenen und raschen Reformen, meint Susanne Güsten.

Wieder einmal hat das türkische Verfassungsgericht eine Partei verboten, wieder einmal traf es eine politische Interessensvertretung der Kurden. Man kann das Urteil kritisieren. Schließlich hatte sich die Kurdenpartei DTP weder an Gewaltaktionen beteiligt, noch hatte sie dazu aufgerufen. Dennoch ist die Entscheidung kein reiner Willkürakt des türkischen Staates gegen die kurdische Minderheit im Land. Sie ist vielmehr die Folge eines politischen Versagens - und zwar auf beiden Seiten.

Die DTP muss sich vorwerfen lassen, sich nie eindeutig von der Rebellengruppe PKK und deren Terroranschlägen distanziert zu haben. Eine führende DTP-Politikerin dachte kürzlich sogar laut darüber nach, sich den PKK-Rebellen anzuschließen. Damit nährte die DTP Zweifel an ihrer Demokratie-Treue und lieferte der ohnehin misstrauischen Justiz neue Munition.

Doch auch die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan trägt eine Mitverantwortung. Obwohl der Premier immer wieder betont, wie sehr er Parteiverbote ablehne, und obwohl das Verfassungsgericht sich mit dem Prozess gegen die DTP zwei Jahre Zeit ließ, versäumte es die Regierung, Parteiverbote durch neue Gesetze zu erschweren. Auf der Grundlage der bestehenden Rechtslage, die den Schutz des Staates vor angeblichen Separatisten über das Recht auf freie politische Betätigung stellt, blieb dem Gericht fast nichts anderes übrig, als die DTP zu verbieten.

Nun dürfte sich das innenpolitische Klima in der Türkei weiter verschärfen. Viele Kurden sehen sich in ihrem Eindruck bestätigt, dass der Staat ihnen politische Rechte vorenthalten will. Die Hardliner in der PKK werden das Urteil für ihre Propaganda nutzen und können mit neuem Zulauf rechnen. Gefechte zwischen der PKK und der Armee dürften wieder heftiger werden.

Ein Ausweg liegt in entschlossenen und raschen Reformen. In Aussicht gestellte Verbesserungen wie Straferleichterungen für minderjährige Teilnehmer an Kurden-Demonstrationen, die Ausweitung der Sprachfreiheit für die Kurden und die Einrichtung eines unabhängigen Menschenrechtsrates sollten schnell umgesetzt werden. Dies und neue staatliche Investititionen in die Wirtschaft des verarmten Kurdengebietes würden vielen Menschen neue Hoffnung geben - und den radikalen Kräften das Wasser abgraben. Erdogan sollte diese Chance ergreifen.

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