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Meinung: Partisan oder Verbrecher

Von Caroline Fetscher

Europas – bei Amtsantritt – jüngster Premierminister nimmt seinen Hut und geht. Ramush Haradinaj, der gestern im Kosovo seine Koffer packte, um heute vor dem UNTribunal in Den Haag zu landen, wandelt sich durch die Anklage über Nacht vom Regierungschef zum mutmaßlichen Kriegsverbrecher. Als die Konflikte im Apartheidssystem Kosovo eskalierten, 1998, 1999, befehligte der damals 30-Jährige eine Einheit der Befreiungsarmee UCK. Er und seine Leute sollen serbische und albanische Zivilisten ermordet und gefoltert haben. Da Haradinaj sich als unschuldig ansieht, stellt er sich freiwillig dem Gericht.

Gut und notwendig ist dieser Schritt, nicht nur im Sinne des Tribunals, das den Opfern aller Seiten Gerechtigkeit schuldet, sondern auch für das Kosovo, für dessen Verhältnis zu Vergangenheit wie Wahrheit. Dass die UCK keine reguläre Armee war, sondern ein verzweifelter und zusammengewürfelter Haufen Freiwilliger, die sich gegen den alltäglichen Terror serbischer Milizen wehrten, ist noch wenig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen, bei uns wie in der Region. Für die einen sind alle UCK-Kämpfer Verbrecher, für die anderen sind sie allesamt heldenhafte Partisanen. Beides ist falsch. Nur juristische Verfahren können aufklären. Mit der Überstellung Haradinajs nach Den Haag geht auch ein deutliches Signal an jene Seilschaften in Serbien und Kroatien, die „ihre Helden“ gern daheim behalten möchten. Untergetaucht sind seit Jahren die ebenfalls von Den Haag angeklagten Generäle Ratko Mladic und Ante Gotovina. Dem Serben Mladic wirft die Anklage vor, Urheber des Massenmords an 8000 Jungen und Männern im bosnischen Srebrenica im Sommer 1995 gewesen zu sein, dem Kroaten Gotovina, dass er die Ermordung und Vertreibung Tausender von Serben befahl und zuließ. Als Schande betrachten es Menschenrechtler, dass auch der Ex-Präsident der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, noch immer auf freiem Fuß ist.

Das Tribunal, so klagt man in Belgrad gern, sei „antiserbisch“. Aber Den Haag beweist erneut: Auf Justitia ist Verlass. Deren Augenbinde, eine der haltbarsten Allegorien, die das Abendland erfand, lässt sie ignorieren, ob einer Premierminister ist, General oder Lokführer. In puncto Nichtdiskriminierung ist wenigstens sie unantastbar.

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