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Ist die Verschleierung der Kanzlerin nun kritisch gemeint - oder als Lob für ihre Akzeptanz des Islam?

© epd

Pegida, Islam, Integration: Zehn Fragen an den rasenden Zeitgeist

Seit den Anschlägen von Paris überschlagen sich die Deutungen, rotieren die Reaktionen. Nicht alles wirkt stringent. Ein Versuch, noch etwas mehr Chaos in die angestrebte Ordnung zu bringen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Manchmal möchte die Zeit angehalten werden. Die Turbulenzen machen etwas schwindelig. Nicht rasant sind sie sondern rasend. Da hilft nur durchatmen, die Ereignisse und die Meinungen über die Ereignisse ansehen und versuchen, beides voneinander zu trennen. Am Ende bleiben mehr Fragen als Antworten, wie so oft. Aber man wird ja bescheiden. Hier eine kleine Auswahl:

-         Ist es nicht auch ein wenig seltsam, dass nach dem islamistischen Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ der Kampf vor allem gegen die geführt wird, die auf Montagsdemos vor einer „Islamisierung des Abendlandes“ gewarnt haben?

-         Ist es nicht auch ein wenig seltsam, Islam und Islamismus strikt voneinander trennen zu wollen, aber die Behauptung, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, als klar widerlegt und naiv zu charakterisieren?

-         Ist es nicht auch ein wenig seltsam, dass nun tapfer für die Meinungsfreiheit gefochten werden soll, aber als erstes Erika Steinbach wegen eines Tweets angezeigt wird, in dem sie es angeblich an Mitgefühl für die Opfer habe fehlen lassen?

-         Ist es nicht auch ein wenig seltsam, sich vehement gegen den „Lügenpresse“-Vorwurf zu wehren (das Unwort des Jahres), während das Foto vom Trauermarsch in Paris, auf dem angeblich zu sehen ist, wie Spitzenpolitiker Arm in Arm und gemeinsam mit den Massen demonstrieren, offenbar inszeniert wurde?

-         Ist es nicht auch ein wenig seltsam, wie Springer-Chef Mathias Döpfner mehr Mut von Journalisten zu fordern, wo doch die Entlassung des ehemaligen Stellvertretenden Chefredakteurs der „Bild am Sonntag“ (BamS), Nicolaus Fest, wegen eines islamkritischen Kommentars erst drei Monate her ist (offiziell muss es natürlich heißen: Nicolaus Fest gehe auf eigenen Wunsch, man habe sich im Guten getrennt, er bleibe dem Haus eng verbunden)? 

-         Ist es nicht auch ein wenig seltsam, muslimfeindliche Karikaturen vehement zu verteidigen, aber judenfeindliche Karikaturen, etwa in der arabischen Presse, zu verdammen?

-         Ist es nicht auch ein wenig seltsam, das Zeigen islamkritischer Karikaturen nach einem Attentat auf eine islamkritische Zeitschrift für einen mutigen, freiheitlichen Akt zu halten, obwohl sicher keiner auf die Idee käme – zum Glück! -, nach einem Attentat auf eine rechtsradikale Zeitschrift rechtsradikale Parolen nachzudrucken?

-         Ist es nicht auch ein wenig seltsam, antisemitische und homophobe Haltungen von Muslimen als kulturell bedingt zu verharmlosen, aber jenen, die diese Haltungen anprangern, Rassismus vorzuwerfen?

-         Ist es nicht auch ein wenig seltsam, dass Europa sich nun für seine besonnene Reaktion feiert, weil der Alte Kontinent offenbar mal wieder einen Anlass brauchte, sich von amerikanischer Überreaktion nach 9/11 abzugrenzen?

-         Ist es nicht auch ein wenig seltsam, dass immer mehr französische Juden nach Israel auswandern, weil sie sich dort durch Hamas-Raketen, iranisches Atomprogramm und Hisbollah-Terror weniger bedroht fühlen als durch den Antisemitismus in Frankreich?

Auf all diese Fragen gibt es schnell formulierte Antworten. Als „damit erledigt“ dürften sie vielleicht dennoch nicht gelten. Jeder Spruch ein Widerspruch. Und damit zurück ins Hamsterrad.

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