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Meinung: Permanent im Wahlkampf

Präsident Barack Obama darf die Kunst des Kompromisses nicht länger vernachlässigen.

Offiziell hat Barack Obama vor dem Kongress über die Lage der Nation geredet. Tatsächlich hat er eine Rede an die Nation gehalten. Im Gegensatz zu Deutschland stürzt eine Regierung in Amerika nicht, wenn sie keine Mehrheit im Parlament hat. Der Präsident muss mit anderen Mitteln für seine Ziele kämpfen – das machtvollste ist das der öffentlichen Rede. Teils warb Obama um Kooperation mit den Republikanern, teils warnte er sie vor Blockaden und appellierte, um Druck zu machen, an die Millionen, die ihm via TV zuhörten.

Seit Bill Clinton, der in sechs seiner acht Präsidentenjahre ebenfalls gegen eine republikanische Mehrheit regieren musste, hat sich dafür der Begriff „Permanent Campaign“ eingebürgert. Auch nach der Auszählung der Stimmen setzt sich der Wahlkampf fort: mit Auftritten des Präsidenten quer durch das Land. Falls es Obama gelingt, die Meinungsumfragen zu beeinflussen, werden die Republikaner bei manchen Streitfragen nachgeben. Auch sie blicken auf die nächsten Wahlen: 2014 für den Kongress, 2016 für das Weiße Haus. Das ist Obamas Chance. Er kann nicht wollen, dass sich die Blockade fortsetzt. Er möchte in der zweiten Amtszeit etwas bewegen.

Diesen Teil, den öffentlichen Druck auf die Konservativen, beherrscht er ziemlich gut. Doch damit bereitet er nur die nächste Phase vor, die den Lagern die Gelegenheit zum Kompromiss bietet. In dieser zweiten und entscheidenden Runde war Obama bisher nicht so erfolgreich wie Clinton. Clinton war ein Meister darin, seine Gegner mit kleinen Aufmerksamkeiten zu umgarnen. Obama hat diesen Aspekt des politischen Geschäfts bisher vernachlässigt oder an seinen Vize Joe Biden delegiert.

Obama muss in dieser Hinsicht besser werden, denn die Weichen für seine zweite Amtszeit werden jetzt gestellt. Ob er wenig oder viel erreicht, hängt vom Umgangston zwischen beiden Parteien ab. Die vergangenen Wochen haben die Chance zur Annäherung eröffnet. Der Streit um das „Fiscal Cliff“ und die Erhöhung der Schuldenobergrenze wurde nicht auf die Spitze getrieben. Auch die Bestätigungsverfahren für neue Minister im Senat ließen sich gut an mit dem nahezu einmütigen Votum für Außenminister Kerry. Die Stimmung kann aber rasch kippen, wie die Kontroverse um den designierten Pentagon-Chef Chuck Hagel zeigt. Und je näher die automatischen Kürzungen bei Militär und Sozialausgaben im März rücken, desto nervöser agieren beide Lager.

Obama hat eine weitgehend ausgewogene Rede gehalten – eine Art Regierungserklärung. Mehr Sorgen muss man sich um die Republikaner machen. Sie wirken weniger planvoll.

Europa kam nur am Rande vor. Für Obama ist das Transatlantische Partnerschaftsabkommen nur Mittel zum Zweck: ein Vehikel, das beim Aufschwung helfen kann. Er wird sich nicht dafür verkämpfen. Er hat schon genug mit den Republikanern zu tun. Die Energie, um das Projekt voranzutreiben, wird von den potenziellen Nutznießern, zum Beispiel in Deutschland, kommen müssen.

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