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Meinung: Pilatus, ein Christdemokrat Von Robert Birnbaum

Man kann der Bundesregierung im Streit um die HartzGesetze ja vielerlei vorwerfen: schlechtes Handwerk zum Beispiel und eine geradezu resigniert wirkende Unfähigkeit, den Sinn ihrer Reformbemühungen den zu Reformierenden auch nur halbwegs verständlich zu machen. Eins aber kann man Roten und Grünen nicht absprechen: Ihre Spitzenleute stehen zu dem, was sie tun.

Man kann der Bundesregierung im Streit um die HartzGesetze ja vielerlei vorwerfen: schlechtes Handwerk zum Beispiel und eine geradezu resigniert wirkende Unfähigkeit, den Sinn ihrer Reformbemühungen den zu Reformierenden auch nur halbwegs verständlich zu machen. Eins aber kann man Roten und Grünen nicht absprechen: Ihre Spitzenleute stehen zu dem, was sie tun. Das lässt sich von der Opposition so uneingeschränkt nicht sagen. Namentlich bei der Union geht das Pilatus- Syndrom um. Gewiss, man hat im Bundesrat die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe mitbeschlossen – ist ja auch ein ursprünglich christdemokratischer Vorschlag gewesen. Gut, man hat im Vermittlungsstreit einem Kompromiss zugestimmt. Aber jetzt, wo die Folgen dieser Politik sichtbar werden und der Unmut im Volk wächst, wollen sich viele die Hände in Unschuld waschen.

Der sächsische Pilatus Milbradt ist nur der sichtbarste unter den Unschuldsbolden. Selbst den Bekundungen aus der CDU- Spitze, sie stehe zu dem gemeinsam verabschiedeten Gesetz, ist als Nachwort beigegeben „aber nicht zu dessen handwerklichen Fehlern“. Manche psychologische Dummheit – kein Geld im Januar! Auflöse-Verfügung für Ausbildungsverträge für Kinder! – geht auf das Konto der Regierung,das ist unstreitig. Aber die Pilatus-light-Variante sucht zumindest den Eindruck zu erwecken, als wäre die Hartz-Reform ohne diese Pannen akzeptiert worden.

Das ist im besten Falle eine Selbsttäuschung. Hartz ist für Menschen nicht der Nebenregeln wegen ein Problem, sondern wegen des Kerns. Mittelschicht-Arbeitnehmer sehen sich plötzlich in der Gefahr, auf Sozialhilfe-Status abzusinken – den man in diesen Kreisen bisher für Arbeitsscheue und Alkoholiker reserviert glaubte. Das löst Ängste aus. Gegen Angst ist schwer zu argumentieren. Aber wenn all die Polithelden, die nach Reform rufen und sie – richtigerweise – gemeinsam beschließen, hinterher gemeinsam weiter dazu stünden, wäre schon viel gewonnen. Nämlich Glaubwürdigkeit. Eine Koalition der Standhaften hätte zumindest die Chance, den Menschen Notwendigkeiten zu erklären und Ängste zu nehmen. Das hat niemand bitterer nötig als die Opposition. CDU, CSU und FDP müssen in zwei Jahren mit einem Reformprogramm antreten, das bei Hartz nicht stehen bleiben kann. Wollen sie das durchstehen, müssen sie jetzt anfangen.

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