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Ein Mahnmalentwurf versucht, den verschiedenen Opfergruppen des Kommunismus gerecht zu werden. Ausgeschnittene Silhouetten sollen auf einer Art Gedenkallee gebeugte Regimegegner, Zwangsadoptierte und beruflich durch das System Geschädigte zeigen. Diese Idee stellten die Alona Antonow und Katarina Sopp, Studentinnen der TU Darmstadt, vor.

© Simulation: TU Darmstadt

Plädoyer für ein Denkmal: Warum Berlin ein neues Mahnmal für DDR-Opfer braucht

Die Debatte um ein Denkmal für alle DDR-Opfer erreicht den Bundestag - gut so!

Bleib stehen und denk mal! Mehr kann ein Denkmal, hineingestellt in die Zeitläufte der Stadt und in die Laufwege der Menschen, eigentlich nicht leisten. Dabei wird von einem Denkmal mehr verlangt – weil es gleichzeitig mahnen und ermahnen soll. Vor allem daran, die Opfer der Geschichte nicht zu vergessen.

Berlin hat noch nicht einmal sein Einheitsdenkmal fertig, da wird schon am nächsten Monument der Erinnerung gespachtelt. Es soll den Opfern der kommunistischen Gewaltherrschaft gewidmet sein, die sich bisher nicht im vom Massentourismus umtosten Zentrum der deutschen Hauptstadt wiederfinden. Denn an den letzten nicht abgehauenen Stücken der Mauer – wie an der East Side Gallery oder am Checkpoint Charlie – gastiert täglich der Flying Circus der Nostalgie-Industrie und verdrängt allzu oft das Nachdenken über einstmals geteilte Familien und Bürgersteige.

Natürlich gibt es diese Orte der Aufklärung durch Besinnung. Allerdings befinden sich die zu Informationszentren umgebauten Schauplätze des Stasi-Terrors eher draußen in Lichtenberg (die Zentrale des MfS mit Erich Mielkes biederem Telefontisch soll ein Zentrum für Demokratie werden) sowie in Hohenschönhausen (im ehemaligen Gefängnis beklemmt vor allem der Umstand, dass es mehr Verhörräume als Zellen gibt). Und die Gedenkstätte an der Bernauer Straße, in der die Politik alljährlich mit Kränzen und Worten der Mauertoten gedenkt, ist eben auch nur Sinnbild für eine einzelne Opfergruppe. Eben nur ein Ausschnitt einer Ausformung einer Diktatur, von der selbst 25 Jahre nach ihrem Ende noch nicht wirklich offensichtlich ist, auf wie viele Arten sie Menschen deformiert hat. Aber gerade dies ist Denkmälern, die auch bei neugierigen Jugendlichen funktionieren sollen und sollten, eigen: Sie fokussieren sich auf eine Gruppe, appellieren an ein Gefühl – sparen aus, um zu wirken. Und sie werden immer öfter zum interaktiven Erlebnis, mit dem Betrachter als Teil des Gedenkens, also als bewegtem Menschen. Das Holocaust-Mahnmal etwa ist sowohl der Fantasie der Besucher als auch den Verwitterungen durch die Natur ausgesetzt.

Für das Denkmal für die Opfer des Kommunismus gibt es – wie im Tagesspiegel vorgestellt – ähnlich innovative und interaktive Entwürfe. Eine Idee besteht aus einer überdimensionalen Glasscherbe, mit der die Sehnsucht nach der anderen Seite, die man sieht, aber nicht erreicht, gezeigt werden soll. In ihr ist das Relief einer Hand eingelassen, in die man seine eigene legen kann. Ein anderer Entwurf besteht aus einem Kubus, in dem die freie Meinung symbolisch eingeschlossen ist. Draußen laufen die ersten Zeilen des Volksliedes „Die Gedanken sind frei“ um den Steinkörper herum, durch ein kleines Guckloch kann man nach innen sehen: auf ein leeres Blatt Papier und einen Stift. Die Gedanken, die freien, sind gefangen.

Studenten haben sich das ausgedacht, junge Menschen aus dem alten Westen Deutschlands, die im alten Osten nach Spuren suchen, die auch ihnen etwas sagen. Vielleicht haben diese Entwürfe gerade deshalb eine Wucht, wie sie ein alle Opfergruppen des Kommunismus abbildendes Monument nicht erzielen könnte. Die Gedanken sind frei, die Sehnsucht verlangt Freiheit – all dies sind universelle Werte, die weit über die verschwundenen Grenzen der DDR hinausreichen.

Schon für dieses „Denk mal!“ lohnt sich die Debatte, die nun im 25. Jahr der deutschen Einheit den Bundestag erreicht. Er wird das Thema im Herbst erstmals behandeln, dann muss der politische Wille beschlossen werden, danach suchen Künstler nach der richtigen Form, das Land Berlin nach einem richtigen Platz (im Gespräch ist die Spreebogen-Ödnis zwischen Hauptbahnhof und Bundestag) und der Bund nach Geld. Und dann? Wird es Streit geben um Ausgestaltung und Bezeichnung – ein Denkmal für die Opfer des SED-Staates wäre wohl ausreichend ambitioniert. Sicherlich wird es nicht beim avisierten einstelligen Millionenbetrag bleiben – und irgendwann werden Tiere auftauchen, die umgesiedelt werden müssen (wie die Zauneidechse, die über den verbuddelten Leninkopf krabbelt, oder die Wasserfledermäuse, die die geplante Einheitswippe aus dem Gleichgewicht bringen). All das wird in die Kernfrage münden, ob es eines Denkmals für die Opfer des Kommunismus wirklich bedarf. Denk mal, Deutschland!

Schon der Prozess einer Denkmalfindung wird an die Opfer und ihre Schicksale erinnern – was weiterhin so wichtig ist im einstmals zerrissenen Berlin. Damit die Zeit nicht über diese Zeit hinweggeht. Und man am Denkmal stehen bleibt.

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