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Meinung: …Polen

Thomas Roser erklärt, warum der Friedhof für polnische Soldaten im ukrainischen Lwiw jetzt erst neu eröffnet wurde

Blau-gelb und weiß-rot flatterten die Nationalbanner Polens und der Ukraine über den Soldatenfriedhof im westukrainischen Lwiw (Lemberg). Gemeinsam legten die Präsidenten der beiden Nachbarländer die blauen Grableuchten auf der Marmorplatte der Gedenkstätte nieder, hielten sich hernach im stillen Gedenken an den Händen. Als Symbol der „ukrainisch-polnischen“ Versöhnung würdigte Polens Präsident Aleksander Kwasniewski den neu eröffneten Friedhof: „In Zukunft werden wir gemeinsam gehen.“

Die Aussöhnung über den Gräbern ist vor allem für die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Lwiw vertriebenen Polen ein wichtiger Wendepunkt: Jahrelang hatte sich am Friedhof der „Jungen Adler“ der Streit um die gemeinsame blutige Vergangenheit entzündet – und die sonst freundschaftlichen Beziehungen der Nachbarn schwer belastet. Dabei liegen die Auseinandersetzungen, denen die 3000 auf dem Friedhof begrabenen Soldaten zum Opfer fielen, lange zurück. Als nach dem Ersten Weltkrieg das Habsburger-Reich zerfiel, strebten Polen wie Ukrainer danach, endlich wieder eigene Staaten zu gründen. Das kosmopolitische Lemberg beanspruchten beide für sich. Im polnisch-ukrainischen Krieg von 1918/1919 verteidigte im damals mehrheitlich von Polen bewohnten Lemberg die Freiwilligenarmee der „Adler“ die Stadt gegen die Ukrainer, die im Umland die Bevölkerungsmehrheit stellten. Lemberg und Galizien fielen schließlich an die polnische Republik. Für die Gefallenen ließ Warschau damals einen bombastischen Heldenfriedhof errichten.

Den Zweiten Weltkrieg überstand die Anlage fast unbeschadet. Doch mit der Westverschiebung Polens 1945 fiel Lemberg der Sowjetunion zu, der Friedhof begann zu verfallen. Das durch Massaker und Vertreibungen im Zweiten Weltkrieg stark belastete Verhältnis der beiden Nationen blieb zu sozialistischen Zeiten ein Tabu. Erst mit der Wende wurde eine offene Auseinandersetzung möglich. Doch der Friedhof, den polnische Hobbyhistoriker 1989 zu renovieren begannen, blieb ein ständiger Zankapfel. Eigentlich sollte die Gedenkstätte 2002 eröffnet werden, doch der Lemberger Stadtrat lehnte die Inschrift des Gedenksteins ab, in dem Polens Soldaten als „Helden“ bezeichnet wurde. Erst Polens Unterstützung für den friedlichen Volksaufstand der ukrainischen Orangenrevolutionäre ebnete nun den Weg für die Versöhnung. Es gebe keine freie Ukraine ohne ein freies Polen, erklärte Präsident Viktor Juschtschenko in Lwiw: „Wir haben keine Angst mehr, der Geschichte ins Auge zu sehen.“

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