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Meinung: "Politische und historische Aufarbeitung": Richtlinien und Linienrichter

Eigentlich ist Helmut Kohl an allem schuld. Seit Monaten rechtet Marianne Birthler, die Bundesbeauftragte für die Stasi-Akten, mit Bundesinnenminister Otto Schily, ob Unterlagen herausgegeben und veröffentlicht werden dürfen.

Eigentlich ist Helmut Kohl an allem schuld. Seit Monaten rechtet Marianne Birthler, die Bundesbeauftragte für die Stasi-Akten, mit Bundesinnenminister Otto Schily, ob Unterlagen herausgegeben und veröffentlicht werden dürfen. Und betroffen ist auch der Ex-Kanzler, der dagegen vor das Berliner Verwaltungsgericht gezogen ist; seine Klage wird am 4. Juli verhandelt. Gestern hat Birthler eine, aus ihrer Sicht, präzisierende Richtlinie für den Umgang mit Stasi-Unterlagen veröffentlicht. Ob damit aus der Interessenkollision eine Interessenkoalition wird, ist aber nicht ausgemacht.

Das sind nach wie vor die Meinungsunterschiede: Schily ist strikt dagegen, Akten Prominenter an Wissenschaftler und Journalisten herauszugeben, weil er dadurch den Opferschutz gefährdet sieht. Birthler dagegen will verhindern, dass jetzt gar keine Akten mehr über Personen der Zeitgeschichte herausgegeben werden dürfen. Vertreter ihrer Schule argumentieren mit dem enormen Aufklärungsbedarf, der auch nach elf Jahren Einheit allgemein noch immer herrscht, und mit den Aufklärungschancen, die in den Akten liegen. Anhänger der anderen Schule betonen warnend die widerrechtlichen Umstände, unter denen die Kilometer an Unterlagen vom "VEB Guck und Horch" zusammengetragen worden sind. Hier einen Kompromiss zu finden, ist schon der Natur der Sache nach nicht einfach.

Birthlers Richtlinie liest sich ähnlich wie ihr letzter Brief an den Innenausschuss. Erstens werden Akten nur zur Erforschung der Stasi-Strukturen herausgegeben. Zweitens ist die Veröffentlichung von Abhörprotokollen und privaten Angelegenheiten unzulässig. Drittens ist die Behörde nicht gegründet worden, um mit den Akten Spendenskandale oder die westdeutsche politische Vergangenheit von Ministern aufzuklären. Viertens sollen Betroffene vor der Weitergabe von Papieren informiert werden und die Blätter vorher lesen dürfen. Ein Einspruch gegen die Weitergabe ist danach allerdings nicht möglich. Was wohl heißt: Wer das nicht will, der wird vor Gericht ziehen müssen. Wie Helmut Kohl.

Im Innenausschuss hat die Richtlinie die Mehrheit. Allerdings sind die Abgeordneten und der Bundesinnenminister öfters nicht ganz einer Meinung. Nach Schilys Meinung gibt es (noch) keinen Kompromiss. Bleibt die Frage: Wer hat daran eigentlich Schuld?

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