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Meinung: Politischer Eilmampf

Ihr bösen Teutschen: Wieder einmal soll unsere Sprache sauber bleiben

Loriots Politiker kommt ohne Anglizismus aus und ist doch leicht verständlich: „Meine Damen und Herren, Politik bedeutet, und davon sollte man ausgehen, das ist doch – ohne drum herumzureden – in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden.“

Ebenso leicht verständlich ist die aktuelle Forderung einiger Politiker, die deutsche Sprache „im Alltag stärker vor englischen Einflüssen zu schützen“. Die Forderung ist so verständlich, weil sie noch älter ist als der Untergang des Abendlandes. Schon die Version aus dem 17. Jahrhundert war kaum weniger verständlich: „Ihr bösen Teutschen, man sollt’ euch peitschen,/ Daß ihr die Muttersprach so wenig acht.“ Damals ging es ums Französische, heute um die Anglizismen, immer ist sie Ausdruck einer absurden sprachlichen Verarmungsangst. 1899 kritisierte Gerhard Stickel im Buch „wider die Engländerei in der deutschen Sprache“ noch den modischen Gebrauch von „Supper“ oder „Five o’clock Tea“. Sie sind wieder aus Deutschland verschwunden, anders als „Pullover“ oder „Film“.

Dass die Bahn ihre Informationsschalter „Service Point“ nennt, mag ein Ärgernis sein, doch der Service wird bleiben – das wusste auch der Sprachfachmann Robert Gernhardt: „Wenn zum Beispiel ein Bote mir etwas zustellen soll, und er klingelt und kommt nicht die Treppe rauf, dann sage ich: ,Das ist schlechter Service’. Dann sage ich nicht: ,Das ist eine schlechte Dienstleistung.‘ Das ist zu hochgestochen.“

Service ist längst ein eingeführtes Wort, wie „Eilmampf“ oder „Prallkissen“ (die Vorschläge der Stiftung Deutsche Sprache für „Fast Food“ und „Airbag“) es eben nicht sind. Und ohne die Vermanschung der deutschen Sprache hätten wir nie das wunderbare Wort Handy bekommen – das sogar nur ein englischer Fake ist. Natürlich versteht niemand, was Jil Sander in einem Interview mit folgendem Satz sagen wollte, aber ist er nicht dennoch wunderschön? „Wer Ladyisches will, searcht eben nicht bei Jil Sander. Man muss Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils.“

Da, wo der Markt die Sprache regelt, ist das Denglische ohnehin bereits wieder auf dem Rückzug. Englische Werbebotschaften kommen schlicht nicht gut an, lautet das Ergebnis einer Studie. „Come in and find out“, war der Werbespruch der Parfümeriekette Douglas. Weil die meisten deutschsprachigen Konsumenten dachten, das hieße, „Kommen Sie rein, irgendwie kommen Sie auch raus“, wird nun mit „Douglas macht das Leben schöner“ geworben. („Feel the difference“, die Reklame von Ford, übersetzten viele falsch, aber geistreich mit „fühle das Differenzial“).

Das Paradoxe dieser neuesten Initiative nationaler Sprachkritiker liegt darin, dass sie annimmt, es gehe bei Sprache ausschließlich um Verständigung. Die vielen Anglizismen seien nicht hinnehmbar, heißt es nämlich in der Begründung der Sprachpuristen, „da etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung kein Englisch spricht“.

Wenn also wirklich zwei Drittel der Deutschen so eindrucksvoll Englisch sprechen, wäre dann das Ziel einer problemlosen Verständigung nicht schneller erreicht, wenn das verbliebene Drittel auch noch Englisch lernte?

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