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Portät: „Auch im Vatikan gibt es Hofgeschwätz“

Georg Gänswein, Sekretär des Papstes, ist dem goldenen Käfig entflohen. Mit einem achtseitigen Interview.

Der Schwarzwälder Georg Gänswein steht als Privatsekretär an der Seite von Benedikt XVI.; mit vier italienischen Ordensfrauen teilen sich die beiden das päpstliche Apartment hoch über dem Petersplatz. Panoramablick, urbi et orbi.

Nun, nach gut zwei Jahren im Amt, ist der 51-jährige Monsignore diesem goldenen Käfig entflohen. Mit einem starken Auftritt auch noch: acht Seiten Interview im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“. Ein Ereignis. Derjenige, der den Papst tagtäglich gegen alles abschirmt, was dessen geistige Arbeit und Meditation stören könnte, durchbricht erstmals von sich aus den Schirm der Diskretion.

Gänswein, den sie in Italien den „schönen Georg“ nennen, erzählt von Werdegang und Arbeitsalltag, über die geistlichen Schätze der katholischen Kirche und die Gefahr einer Islamisierung Europas – und überraschend freimütig plaudert er über das Mikroklima um ihn herum: „Der Vatikan ist ein Hofstaat. Und dort gibt’s Hofgeschwätz. Aber es gibt auch Pfeile, die ganz bewusst und gezielt abgeschossen werden. Ich musste erst lernen, damit umzugehen.“ Dass er „hin und wieder“ Liebesbriefe bekommt, räumt er ebenso ein wie einen Wesenszug, den so mancher in Kirche und Kurie schon zu spüren bekommen hat: „Geduld ist nicht meine Stärke. Manchmal fahre ich ziemlich nah auf, das kann irritieren.“

Was Gänswein zu seiner ungewohnten Gesprächigkeit bewogen hat, darüber wird nun spekuliert. War es nur der wachsende Druck der Isolation? Wollte er sich für den vakanten Erzbischofsposten in München profilieren? Gänswein selbst streitet das ab; auch im Vatikan hält man dies für unwahrscheinlich. München wird in den nächsten Monaten besetzt; für Gänswein – mit einer Seelsorgeerfahrung auch noch, die sich auf ein paar Kaplansjahre beschränkt –, dürfte das zu früh sein. Außerdem läuft das Tandem Gänswein-Ratzinger perfekt; der Papst kann seinen engsten, loyalsten Mitarbeiter nicht schon wieder ziehen lassen.

Das schließt nicht aus, dass Gänswein sich Gedanken über seine Zukunft macht. Sein Vorgänger, Stanislaw Dziwisz, wurde nach dem Tod Johannes Pauls II. mit dem Bistum Krakau belehnt und damit zu einem führenden Bischof Polens ernannt. Gänswein ist für kirchliche Hierarchieverhältnisse noch jung; er hat weder Druck noch Veranlassung, sich um irgendeine vatikanferne Pfründe zu bemühen. Zu gegebener Zeit wird sich in der Heimat von selbst ein adäquater Posten finden.

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