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PORTRÄT ANDREJ SANNIKOW WEISSRUSS. OPPOSITIONELLER:: „Wir sind in der Mehrheit“

Andrej Sannikow zeigte sich bis zuletzt kämpferisch. Kurz vor der Urteilsverkündung berichtete er über Folterungen während seiner Untersuchungshaft: Er sei in der Isolationszelle mit Schlägen, Elektroschocks und Drohungen traktiert worden.

Andrej Sannikow zeigte sich bis zuletzt kämpferisch. Kurz vor der Urteilsverkündung berichtete er über Folterungen während seiner Untersuchungshaft: Er sei in der Isolationszelle mit Schlägen, Elektroschocks und Drohungen traktiert worden. Der Chef des weißrussischen KGB habe ihm persönlich mit der Ermordung seiner Ehefrau und seines dreijährigen Sohnes gedroht, sagte Sannikow.

Ein Minsker Bezirksgericht hat den führenden Oppositionellen Weißrusslands dennoch zu fünf Jahren Arbeitslager unter strengem Regime verurteilt. Der international bekannteste Präsidentschaftskandidat der demokratischen Opposition soll laut Urteil gewaltsame Proteste in der Wahlnacht des 19. Dezember 2010 organisiert haben. Damals war es in der Hauptstadt zu den größten Protesten seit Jahren gekommen. Beim Ministerratsgebäude gingen ein paar Scheiben in Bruch. Die Sicherheitskräfte nahmen darauf rund 700 Demonstranten und unbeteiligte Passanten fest, über 600 wurden zu Haftstrafen zwischen fünf Tagen und fünf Jahren verurteilt.

In dem zweiwöchigen Prozess konnte das Gericht allerdings für keinen der Angeklagten ein gewalttätiges Verhaltungen nachweisen. Selbst die dem Gericht von der Staatsanwaltschaft gezeigten Videoaufnahmen der Proteste zeigten, wie Sannikow und weitere Präsidentschaftskandidaten die Menge zur Ruhe aufriefen.

„Wir sind in der Mehrheit und wir bekommen freie Wahlen“, rief Sannikow in den Gerichtssaal. Das Gericht folgte schließlich der Forderung des Staatsanwalts von sieben Jahren strenger Lagerhaft nicht und reduzierte das Strafmaß auf fünf Jahre. Ursprünglich hatten Sannikow 15 Jahre Gefängnis wegen eines versuchten Staatsstreichs gedroht. Sannikow kommt damit etwas glimpflicher davon als der Oppositionskandidat Aleksander Kasulin im Jahre 2006.

Menschenrechtler gehen davon aus, dass das Urteil in beiden Fällen von Aleksander Lukaschenko diktiert wurde. Wie bei Kasulin handelt es sich auch bei dem 57-jährigen Sannikow um einen einstigen Mitstreiter des Diktators. Der Ex-Vize-Außenminister hat sich allerdings bereits vor 15 Jahren von Lukaschenko losgesagt.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, Sannikow kündigte Berufung an. In Weißrussland warten derweil noch vier weitere Präsidentschaftskandidaten auf ihren Prozess. Die Welle von Verhaftungen und Hausdurchsuchungen dauert an.Paul Flückiger

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