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PORTRÄT DANUTA WALESA EX-PRÄSIDENTEN-GATTIN:: „Er sollte nicht jede Bagatelle kommentieren“

Deutliche Worte: „Nach dem August nahm niemand auf mich Rücksicht, auch nicht mein Ehemann“, heißt es in dem gerade in Polen erschienen Buch „Träume und Geheimnisse“. Autorin ist niemand geringeres als Lech Walesas Ehefrau Danuta.

Deutliche Worte: „Nach dem August nahm niemand auf mich Rücksicht, auch nicht mein Ehemann“, heißt es in dem gerade in Polen erschienen Buch „Träume und Geheimnisse“. Autorin ist niemand geringeres als Lech Walesas Ehefrau Danuta. Der Satz bezieht sich auf den August 1980, als die erste unabhängige Gewerkschaft Osteuropas gegründet und damit das Ende des Kommunismus eingeläutet wurde. Der strahlende Held dieser Epoche ist der Streikführer Lech Walesa, guter Katholik und achtfacher Familienvater. Seine Ehefrau war den Polen bisher als graues Hausmütterchen bekannt, tapfer, aufopfernd und fleißig – aber ohne eigene Meinung und Stimme.

Nun ist Danuta mit einer fast 550-seitigen Autobiografie aus dem Schatten ihres Mannes getreten – und Polen reibt sich kollektiv die Augen. Wenn sie zum Beispiel schreibt, ihr sei von Anfang an klar gewesen, dass sie bei der Dankesrede für den Friedensnobelpreis nicht über Walesa und seine Gewerkschaft sprechen wolle, sondern für alle Frauen in Polen. Walesa konnte nach der Ausrufung des Kriegsrechts durch General Jaruzelski 1983 schließlich nicht nach Oslo reisen. Für seine Wahl zum Staatspräsidenten sieben Jahre später hätten vor allem die Kinder einen zu hohen Preis bezahlt, beklagt die einstige First Lady. Ein Walesa-Sohn tauchte bald in der Kriminalstatistik auf. „Wenn er zu Hause war, dachte er mehr an die Arbeit als an die Familie.“

„Das ist ein Angriff auf Walesa, der mindestens so schmerzhaft ist wie die Behauptung, er sei ein Stasi-Spitzel gewesen“, schrieb die „Gazeta Wyborcza“. Kein Wunder, denn Walesas Ehefrau packt wahrlich aus: Während die oft ungebetenen Gäste Befreiungspläne für Polen schmiedeten, wiegte sie die Jüngsten in den Schlaf und legte ihre morgendliche Tour durch die leeren Läden der Mangelwirtschaft zurecht. Hätte sie sich nicht als Hausfrau aufgeopfert, hätte Lech Walesa nie in der Politik Karriere machen können. Noch heute müsse Walesa immer politisieren, klagt sie. Deshalb rufe sie ihn schon gar nicht mehr ans Telefon, wenn wieder so ein Journalist anruft. „Mein Mann sollte nicht jede Bagatelle kommentieren“, schreibt Frau Walesa am Ende ihres Buches.

Ihren Lech hat Danuta dennoch verloren, legt das traurig-wütende Buch zwischen den Zeilen nahe. Keine Rede von Affären in den 42 Ehejahren zwar, doch die Biografie liest sich wie ein Bericht einer fortschreitend zerrütteten Ehe. Paul Flückiger

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