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PORTRÄT DAVID CAMERON BRITISCHER PREMIER:: „Wunsch nach tiefen Reformen der EU“

Großbritannien rätselte am Montag über seinen Premier. Was brachte ihn dazu, bei der Debatte über das EU-Referendum die Daumenschrauben des stärksten Fraktionszwangs anzusetzen?

Großbritannien rätselte am Montag über seinen Premier. Was brachte ihn dazu, bei der Debatte über das EU-Referendum die Daumenschrauben des stärksten Fraktionszwangs anzusetzen? Die Hinterbänkler quittierten es mit der größten Rebellion, seit es im Unterhaus Europadebatten gibt.

Wäre es besser gewesen, alles zu lassen, wie es ursprünglich geplant war? Dann hätte die Hinterbänklerdebatte erst am Donnerstag stattgefunden, dann wären David Cameron und Außenminister William Hague im fernen Australien gewesen und hätten sich um nichts kümmern müssen. Der Antrag eines EU-Referendums wäre abgeschmettert worden, die Euroskeptiker hätten ihrem Frust Luft gemacht, und alles wäre bald vergessen gewesen. Oder nicht?

Cameron hatte Angst, dass sich im alten Druckkessel Europa so viel Dampf entwickeln würde, dass seine Manövrierfähigkeit gefährdet wird – in Europa und in seiner Koalition. Er wollte, wie man so schön sagt, der Partei den Stempel seiner Autorität aufdrücken. Stattdessen gewann er die Abstimmung nur mithilfe Labours und der Liberaldemokraten und verlor mehr Stimmen auf seinen eigenen Hinterbänken, als er für die Regierungsmehrheit braucht.

Anonyme Hinterbänkler schrieben es der Arroganz des Eton-Schülers zu. Vielen ging es nicht nur um Europa, sondern um Cameron. Sie hassen die Koalition, die Kompromisse, die Verwässerung ihrer Tory-Überzeugungen – und dass Regierungsjobs an liberaldemokratische Koalitionspartner gehen.

Wird es nun in der Tory-Partei wie bei den Londoner Straßenkrawallen? Setzen sie nun, wo die Disziplin einmal zusammengebrochen ist, das ganze Gebäude in Brand? Cameron, so viel scheint klar, muss die Beziehungen mit seinen Hinterbänklern überdenken. Auch er dränge auf tief greifende Reformen der EU, versprach er. Aber erst später. Vielleicht nach der nächsten Wahl. Seine Gegner fordern dagegen klare Ziele für Nachverhandlungen mit der EU und einen Zeitplan.

Koalitionspartner Nick Clegg saß bei der Debatte missmutig neben Cameron. Gestern sah man, dass die Kluft in der Koalition tiefer wird. Cameron nannte Arbeitsmarktgesetze als ersten konkreten Punkt, wo Großbritannien Kompetenzen von Europa zurückhaben wolle. Clegg schob gleich einen Riegel vor. „Wir spielen nicht russisches Roulette mit unseren Jobs“. Heute dürfte sich Cameron wünschen, in Australien zu sein, statt beim Gipfeltreffen in Brüssel. Matthias Thibaut

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