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PORTRÄT DAVID TRIESMAN EX-CHEF, FOOTBALL ASSOCIATION:: „Regelwidrig und sittenwidrig“

Im Mai 2010 trank Lord Triesman im Londoner Viertel Marylebone einen Cappuccino, der ihn und England teuer zu stehen kam. Der 67-Jährige erzählte seiner ehemaligen Geliebten Melissa Jacobs von Gerüchten um eine Bestechung der WM-Schiedsrichter durch Spanier und Russen und von einer angeblichen Absprache der beiden Länder bei der Vergabe der Fußball-WM für 2018 und 2022.

Im Mai 2010 trank Lord Triesman im Londoner Viertel Marylebone einen Cappuccino, der ihn und England teuer zu stehen kam. Der 67-Jährige erzählte seiner ehemaligen Geliebten Melissa Jacobs von Gerüchten um eine Bestechung der WM-Schiedsrichter durch Spanier und Russen und von einer angeblichen Absprache der beiden Länder bei der Vergabe der Fußball-WM für 2018 und 2022. Jacobs hatte leider ein verstecktes Mikrofon unter dem Kleid. Die „Mail on Sunday“ veröffentlichte einen Mitschnitt des unbedachten Geplauders; Triesman, der Vorsitzende des englischen Fußballverbands (FA) und damit der englische Bewerbungschef, musste zurücktreten.

Fast auf den Tag genau ein Jahr später war der ehemalige Gewerkschaftsführer nun der Starzeuge vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die Gründe für die verheerende Abstimmungsniederlage der Briten bei der WM-Vergabe beleuchtet: England hatte nur zwei Stimmen vom Fifa-Exekutivkomitee bekommen. Das Labour-Mitglied im Oberhaus von Westminster gab viele Fehler zu, rechnete bei der Gelegenheit aber auch entschieden mit einigen internen Gegnern ab. Den Geschäftsführer der Premier League bezichtigte Triesman mehr oder weniger der Erpressung.

England hatte aber laut Triesman noch ganz andere Probleme. Das Rennen um die Ausrichtung der WM sei mit legalen Mitteln nicht zu gewinnen gewesen, ließ er durchblicken. Es habe „regelwidrige und sittenwidrige Forderungen“ gegeben; vier Fifa-Größen warf er Bestechlichkeit vor. Jack Warner, Trinidad, habe für ein Ausbildungszentrum und den Erwerb von Fernsehrechten insgesamt 3,5 Millionen Euro verlangt. Thailands Worawi Makudi soll die TV-Rechte an einem Freundschaftsspiel gewollt haben. „Ricardo Teixeira (Brasilien) sagte, ich soll zu ihm kommen und ihm sagen, was ich für ihn habe”, sagte Triesman aus. Etwas origineller fiel angeblich der Wunsch von Nicolás Leoz aus Paraguay aus, der gerne einen Ritterschlag durch die Queen bekommen hätte. „Ich sagte ihm, dass wir in Großbritannien solche Geschäfte nicht machen”, sagte Triesman, der – das nur nebenbei – sieben Jahre lang Mitglied der kommunistischen Partei war und von Tony Blair zum Lord ernannt wurde. In einem Brief an den FA-Vorsitzenden bat Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke inzwischen um alle „schriftlichen Beweise“ und einen „kompletten Bericht“ über Triesmans Aussagen. Raphael Honigstein

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