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PORTRÄT EX-AUSSENMINISTER HENRY KISSINGER: „Spione sind nicht Teil der Regierung“

Die durch den jüngsten Geheimdienstbericht wegen ihrer Iran-Politik unter Druck geratene Bush-Regierung bekommt Beistand von überraschender Seite: Ausgerechnet Henry Kissinger ließ kein gutes Haar an den Schlapphüten – und an der Interpretation ihrer Erkenntnisse in den Medien.

Der Schluss, dass von Teheran keine Gefahr ausgehe, weil es sein Atomwaffenprogramm 2003 eingestellt habe, sei falsch, schrieb der ehemalige Sicherheitsberater von Präsident Richard Nixon und Außenminister unter dessen Nachfolger Gerald Ford in der „Washington Post“. Kissinger sieht vielmehr Zeichen dafür, dass ein subtiler, am Ende viel gefährlicherer Plan am Werk sei, der darin bestehe, zunächst genügend bombenfähiges Nuklearmaterial anzureichern und erst dann die Produktion von Sprengköpfen aufzunehmen.

Gleichzeitig übt Kissinger scharfe Kritik an der Art und Weise, wie die 16 US-Geheimdienste mit ihren Erkenntnissen umgingen. Statt sich als Teil der Exekutive zu verstehen, wollten sie sie nun auch kontrollieren. Die Geheimdienstler müssen zu ihrer traditionellen Anonymität zurückkehren, forderte Kissinger. Ausgerechnet, spricht doch hier ein Mann, der bis heute versucht, seine enge und alles andere als ruhmreiche Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten zu verschleiern. In Frankreich, Spanien, Brasilien, Argentinien und Uruguay hätten viele gerne näher gewusst, welche Rolle Kissinger bei der Unterstützung von brutalen Militärregimen spielte, als er selbst noch Teil der US-Regierung war.

Dieser Ruf hat den 1923 im fränkischen Fürth geborenen Kissinger, der mit seinen jüdischen Eltern vor den Nazis nach Amerika floh, nie davon abgehalten, sich aktiv in die öffentliche Debatte um die US-Außenpolitik einzumischen. In einem Interview mit Bob Woodward bekannte er zudem, dass er Bush und dessen Vize Dick Cheney bei deren Feldzug im Irak berate. Ein Sieg über die Widerständler sei die einzig wahre Exit- Strategie, proklamierte er noch 2005. Gegenüber Teheran will er dagegen einen gemäßigteren Kurs einschlagen: Amerika sei es sich selbst schuldig, die Möglichkeit der Normalisierung der Beziehungen zum Iran vollständig zu untersuchen. Das jedoch, glaubt Kissinger, sei nun Aufgabe der nächsten US-Regierung. Genauso, wie die Balance zwischen den Produzenten und den Nutzern von Geheimdiensterkenntnissen wieder herzustellen. Matthias B. Krause

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