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PORTRÄT HENNING SCHERF EX-BÜRGERMEISTER BREMENS:: „Ich kriege ganze Stadthallen voll“

Unvorstellbar, dass dieser redegewandte Mensch einst als Kind gestottert hat. Heute tourt Henning Scherf durch die Lande und hält mehr als 200 Vorträge im Jahr über aktives Altern.

Unvorstellbar, dass dieser redegewandte Mensch einst als Kind gestottert hat. Heute tourt Henning Scherf durch die Lande und hält mehr als 200 Vorträge im Jahr über aktives Altern. „Ich kriege ganze Stadthallen voll“, erzählt der ehemalige Bürgermeister von Bremen. Am gestrigen Donnerstag, passenderweise dem Reformationstag, wurde der bekennende Protestant 75 Jahre alt. Aber ans Kürzertreten denkt er noch lange nicht.

Schon im Berufsleben hatte er sich nicht geschont. 27 Jahre lang saß der Sozialdemokrat in der Bremer Landesregierung, übernahm mal dieses, mal jenes Ressort und zuletzt für zehn Jahre die Führung einer SPD/CDU-Koalition. Als der Zwei-Meter-Mann 2005 das Bürgermeisteramt an seinen Parteifreund Jens Böhrnsen übergab, da wollte Scherf eigentlich mehr Zeit haben: fürs Klavierspielen, fürs Spanischlernen, fürs Knuddeln seiner Enkel (heute neun an der Zahl). Doch sein Ruhestand geriet fast rastloser als sein Berufsleben. Gemeinsam mit Profi-Autoren brachte er Bestseller wie „Grau ist bunt“ oder „Gemeinsam statt einsam“ heraus oder auch mal ein Buch über seine Weltreise 2008.

Scherfs Botschaft: Bleibt möglichst lange aktiv und bildet lieber Mehrgenerationen-WGs, als ins Heim zu ziehen. So ähnlich wie er und seine Frau Luise: Das Paar lebt seit Jahrzehnten in einem gemeinsamen Haus mit Freunden. Mit seinen Büchern und den Lesereisen durch alle deutschsprachigen Länder könnte er reich werden, aber die Einnahmen, so versichert er, fließen an den Nicaraguahilfe-Verein „Pan y Arte“. Scherf ist dort Vorsitzender, ebenso wie bei mehreren anderen Einrichtungen.

Unverändert ist sein warmherziger, aber oft auch distanzloser Umgang mit Menschen. Legendär seine Umarmungen von Passanten auf offener Straße und seine Fahrten mit dem Hollandrad statt mit dem Dienstwagen. Statussymbole hat er nicht nötig. Statt Wein trinkt er lieber heißes Wasser.

Weniger bekannt sind seine Schattenseiten. Der große Charmeur kann auch aufbrausend, verletzend und ungerecht sein. Außerdem ist auf seine Worte nicht immer Verlass. Zuletzt sagte der Jurist und einstige Justizsenator offenbar die Unwahrheit, als er im Bremer „Brechmittelprozess“ eine Zeugenaussage machen sollte. Jetzt prüft die Staatsanwaltschaft, ob sie gegen ihren einstigen Dienstherrn ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage einleiten muss. Kein schönes Geschenk zum Geburtstag.Eckhard Stengel

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