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PORTRÄT ILKER BASBUG EX-GENERALSTABSCHEF, TÜRKEI:: „Die Nation wird das letzte Wort haben“

Zum ersten Mal in der Geschichte der Türkei hat ein ziviles Gericht des Landes hochrangige Militärs und deren Helfer wegen eines Putschversuches zu langen Haftstrafen verurteilt. Als Hauptangeklagter erhielt der ehemalige Generalstabschef Ilker Basbug eine lebenslängliche Haftstrafe.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Türkei hat ein ziviles Gericht des Landes hochrangige Militärs und deren Helfer wegen eines Putschversuches zu langen Haftstrafen verurteilt. Als Hauptangeklagter erhielt der ehemalige Generalstabschef Ilker Basbug eine lebenslängliche Haftstrafe. Doch der General gab sich nach dem Urteil kämpferisch und warnte die Regierung. „Die Nation wird das letzte Wort haben“, erklärte Basbug auf seiner Website. Der Machtkampf in der Türkei geht weiter.

Im Ergenekon-Prozess standen sich die neue und alte Elite der Türkei gegenüber. Kemalisten wie Basbug, Anhänger der nationalistisch- säkularistischen Ideologie von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk, bildeten die Führungsschicht, die das Land über Jahrzehnte beherrschte. Seit dem Regierungsantritt der islamisch-konservativen Erdogan-Partei AKP werden die Kemalisten immer mehr von den Schalthebeln der Macht verdrängt.

Da sie Erdogan nicht an der Wahlurne besiegen konnten, planten radikale Kräfte der Kemalisten laut dem Gerichtsurteil vom Montag einen Putsch gegen Erdogan. Dass sich Mitglieder der Streitkräfte Gedanken über einen Umsturz gemacht haben sollen, ist in der Türkei keine völlig unrealistische Annahme: Schon viermal verdrängten die Generäle gewählte Regierungen von der Macht. Noch im Jahr 2007 drohten die Militärs ganz offen mit einem Putsch gegen Erdogan.

War der Prozess also ein Beitrag zur Demokratisierung des Landes? Nur bedingt. Auf der Plusseite sagt das Urteil klar und deutlich, dass sich niemand über die gewählte Regierung stellen darf, auch nicht die Armee. Noch vor zehn Jahre wäre ein solcher Prozess unmöglich gewesen. Doch der Ergenekon-Prozess war nicht über jeden Zweifel erhaben. Es gibt erhebliche und berechtigte Kritik an dem Verfahren: lange Untersuchungshaftzeiten von teilweise mehr als fünf Jahren, Einschränkungen der Verteidigerrechte, Vorwürfe der Staatsanwaltschaft auf Grundlage von Aussagen anonymer Zeugen.

Kritiker werden deshalb auch nach den Urteilen überzeugt bleiben, dass der Prozess eine Hexenjagd der Regierung auf politische Gegner war. Der Streit wird weitergehen, nicht nur wegen des anstehenden Berufungsverfahrens. Der Ergenekon-Prozess hat die Lage in der Türkei nicht beruhigt, sondern weiter angefacht. Das Land steht vor neuen schweren Spannungen. Susanne Güsten

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