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Porträt: „In unser Recht gehören Teile der Scharia“

Rowan Williams Erzbischof von Canterbury hat mit seinen Äußerungen zur islamischen Scharia einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, ein Porträt.

Es war nur eine rechtsphilosophische Überlegung, die der Erzbischof von Canterbury da angestoßen hatte – die Wirkung glich einem Griff ins Wespennest. Der Führer der weltweiten Gemeinde der 80 Millionen Anglikaner, Oberhaupt der englischen Staatskirche, regte in einem BBC- Interview an, Teile der muslimischen Rechtsnorm der Scharia in das englische Recht zu übernehmen. Man müsse einsehen, sagte Rowan Williams, dass britische Muslime oft zwischen „krassen Alternativen ihrer Loyalität zu ihrer Religion und Kultur und der Loyalität zum Staat“ stehen. Diesen Widerstreit könnte eine „pluralistische Gesetzgebung“ lösen.

Für die Massenblätter war die Sache klar. Die Bemerkung des 57-Jährigen sei ein „Sieg der Al Qaida“. Die „Sun“ donnerte, der „spinnende Geißbock“ plädiere dafür, dass Ehebrecherinnen hinfort in Großbritannien gesteinigt und Dieben die Hand abgehackt werde. Da half es dem Erzbischof nicht, dass er sich ausdrücklich von der „Unmenschlichkeit“ distanzierte, „die mit der Rechtsausübung in einigen islamischen Staaten verbunden ist, extreme Bestrafungen etwa und die Haltung gegenüber Frauen.“ Williams hatte nur davon gesprochen, zivil- und finanzrechtliche Regelungen der Scharia zu übernehmen, wenn die Betroffenen dem islamischen Glauben angehören. Das ist in Großbritannien etwa bei Scheidungen innerhalb der 1,6 Millionen Muslime schon lange der Fall, die häufig Scharia- Schiedsgerichte anrufen. Freilich handelt es sich dabei um private Übereinkünfte, die keine offizielle Rechtsnorm darstellen. Auch bei Kreditgeschäften britischer Banken mit Muslimen spielen Scharia- Verordnungen eine Rolle, die keine direkten Zinsen erlauben. Die Anregung des Kirchenfürsten stieß dennoch bei Politikern auf Ablehnung. Die Gesetzgebung werde „stets auf britischen Werten beruhen, die für alle gelten“, erklärte Premier Gordon Brown.

Seriöse britische Zeitungen vermuten hinter der Initiative des Erzbischofs, dass dieser in der säkularen Gesellschaft Großbritanniens einen größeren religiösen Einfluss suche. Williams’ Überlegung stehen zudem im Gegensatz zu Äußerungen seines Amtsbruders Michael Nazir-Ali. Der Bischof von Rochester ist pakistanischer Abkunft und konvertierte vom Islam zur anglikanischen Kirche. Kürzlich hatte er davor gewarnt, weite Gebiete Großbritanniens würden wegen des islamischen Extremismus für Nichtmuslime zur „Ausschlusszone“. Hendrik Bebber

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