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PORTRÄT JOACHIM GAUCK ANTIFASCHIST:: „Den Spinnern ihre Grenzen aufweisen“

Noch vor der Wahl will das Bundesverfassungsgericht über einen Eilantrag der NPD gegen Joachim Gauck entscheiden, teilte es am Montag mit. Die Extremisten fühlen sich beleidigt.

Noch vor der Wahl will das Bundesverfassungsgericht über einen Eilantrag der NPD gegen Joachim Gauck entscheiden, teilte es am Montag mit. Die Extremisten fühlen sich beleidigt. Proteste und Gegenproteste vor dem Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf hatte der Präsident mit diesen Worten kommentiert: „Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen und den Spinnern ihre Grenzen aufweisen.“ Ob sich das mit den „Spinnern“ auf ihre Mitglieder und Aktivisten bezogen habe, wollte die Partei wissen. Bei „verständiger Würdigung der Medienberichte“ beantworte sich die Frage von selbst, erklärte das Präsidialamt daraufhin.

Der Bundespräsident wirkt durch seine Rede, heißt es oft in Beschreibungen des Amtes. Und Gauck ist bekanntlich ein Freund klaren Textes. Nun soll sein verbaler Stinkefinger gerichtlich verboten werden. Kurzfristig wird das kaum klappen. Für Eilbeschlüsse haben die Karlsruher Richter hohe Hürden aufgestellt, die auch von der übergroßen Empfindlichkeit einer um ihren Opferstatus ringenden Neonazi-Partei nicht überwunden werden dürften; es gibt Dringenderes. Andererseits verweist der Streit auf ein ungelöstes Problem. Noch ist die NPD nicht verboten. Und solange dies so ist, kann sie sich als demokratische Partei aufspielen, mit allen Rechten – auch dem auf Rücksichtnahme.

Denn der Bundespräsident ist zwar nicht Teil der Regierung, wohl aber Teil der Exekutive. Seine Worte hat er nicht nur vor dem Hintergrund abzuwägen, dass sein Amt parteipolitische Neutralität verlangt, sondern dass er Aufgaben der Staatsleitung übernommen hat. So schön Meinungsfreiheit ist und so ärgerlich die NPD, bei der Diffamierung von Parteien gelangt die freie staatsoberhauptliche Rede an Grenzen. Entsprechend kleinlaut fällt die Stellungnahme des Präsidialamts aus, die man nun in der Sache nach Karlsruhe geschickt hat. Er habe zu keinem Zeitpunkt zu Protesten gegen die NPD aufgerufen und auch keine konkreten Personen als Spinner bezeichnet, schreibt Gauck. Das Gericht wird es zur Kenntnis nehmen, wenn es irgendwann in fernerer Zeit über die neben dem Eilantrag eingereichte Organklage der Rechten entscheiden wird.

Kritik dürfte Gauck sich auch anhören müssen, weil seine Wortwahl die NPD verharmlost. Möglich also, dass er sein Diktum selbst als Fehltritt einschätzt. Das würde Gauck wohl kaum sagen. Es wird sich aber darin zeigen, ob er es wiederholt. Jost Müller-Neuhof

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