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PORTRÄT MARGOT KÄSSMANN EVANGELISCHE THEOLOGIN:: „Das große Du – Das Vaterunser“

Ich bin wieder hier, in meinem Revier, war nie wirklich weg, hab mich nur versteckt“, sang Marius Müller-Westernhagen 1998. Dem Deutsch-Rocker geht es in dem Lied um einen Mann, der zu einer Frau zurückkehrt, was sonst.

Ich bin wieder hier, in meinem Revier, war nie wirklich weg, hab mich nur versteckt“, sang Marius Müller-Westernhagen 1998. Dem Deutsch-Rocker geht es in dem Lied um einen Mann, der zu einer Frau zurückkehrt, was sonst. Die Zeilen passen aber auch wunderbar zu Margot Käßmann, die nächste Woche auf dem Ökumenischen Kirchentag in München zu ihren Fans zurückkehrt. Katholiken und Protestanten treten scharenweise aus den Kirchen aus, aber wenn MK auftritt, laufen sie hin, auch wenn sie nur das macht, was sie immer macht: die Bibel interpretieren und predigen.

Zwei Stunden vor der offiziellen Eröffnung des Kirchentages stellt sie ihr neues Buch vor: „Das große Du – Das Vaterunser“. Die Buchhandlung will eine ganze Etage für sie und ihre Anhänger freiräumen, auf dem Kirchentag wird sie die größten Hallen bespielen. Die kleine Frau, der alle Kraftmeierei genauso fern ist wie das Diplomatisch-Glatte, ist nach wie vor der Star der Szene – gerade wegen ihres Rücktritts nach der Alkoholfahrt im Februar. Der andere heimliche Star des Kirchentages könnte Pater Klaus Mertes werden, der Direktor des Berliner Canisius-Kollegs. Denn er hat die Aufklärung von pädophilen Vergehen angestoßen, mit Verstand, mit Herz und vor allem so unerschrocken wie noch kein anderer katholischer Würdenträger.

Kirchentage sind keine Veranstaltungen der Amtskirchen, sondern Feste der evangelischen und katholischen Laien. Sie wollen die Gesellschaft voranbringen, wollen „Zeitansagen“ sein. Die wichtigste Ansage 2010 ist jetzt schon klar: Gebt uns Menschen, die Moral nicht nur predigen, sondern leben, die durch und durch authentisch sind! Die sich nicht wegducken, wenn es um eigene Fehler geht. Die nicht zuerst mit dem Finger auf andere zeigen, sondern sich schnell und beherzt der Verantwortung stellen. Das Bedürfnis nach ihnen ist auch deshalb so groß, weil es so wenige gibt – in der Politik, in der Wirtschaft, und offenbar auch in den Kirchen. Erst nach wochenlangem Druck ist Bischof Walter Mixa zurückgetreten. Jetzt wird wegen sexuellen Missbrauchs gegen ihn ermittelt.

„Wenn du vergessen kannst, dann schenk mir diesen Tanz“, singt Westernhagen. Man muss einen Fehler nicht vergessen, um ihn zu verzeihen. Aber es muss erkennbar sein, dass jemand zu seiner Schuld steht. Käßmann und Mertes tun das. Die Menschen werden nächste Woche Schlange stehen bei ihnen. Claudia Keller

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