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PORTRÄT: OLIVER BIERHOFF: „Man versucht, mich in eine Ecke zu drängen“

Im Streit zwischen Löw und dem DFB nimmt er die Rolle des Sündenbocks ein: Der Manager der Nationalmannschaft war schon immer ein Außenseiter

Nie war Oliver Bierhoff größer als kurz vor der Europameisterschaft 2008. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bereitete sich auf Mallorca auf das Turnier vor, und an einem der Abende auf der Ferieninsel war die deutsche Delegation von der Regierung der Balearen zu einem kleinen Empfang geladen. Bierhoff führte die Abordnung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) an. Solche Termine bereiten ihm wenig Mühe, auch wenn der Lustgewinn in der Regel gering ist. Dieser Abend aber sollte ein guter für Oliver Bierhoff werden. Als er für sein Grußwort auf die Bühne gebeten wird, führt ihn die spanische Dolmetscherin als „Präsidenten der Nationalmannschaft“ ein.

Präsident der Nationalmannschaft – das hat Bierhoff gefallen. Seitdem er als Manager der Nationalmannschaft arbeitet, begleitet ihn die Frage, was er denn eigentlich den ganzen Tag so mache. Die Position gibt es erst seit 2004, seit Bierhoff. Jürgen Klinsmann hat ihn geholt, damit er ihm den ganzen nicht-sportlichen Kram abnimmt: die Pflege der Sponsoren, die Organisation, die Kommunikation mit dem Verband. Bei einem Bundesligaverein wäre Bierhoff Marketing- oder Finanzgeschäftsführer. „Bei sportlichen Fragen hat er relativ wenig Einfluss“, hat Bundestrainer Joachim Löw einmal gesagt.

Das hören seine Gegner gern, und von denen hat Bierhoff jede Menge. Im Blut-Schweiß-und-Tränen-Milieu des Fußballs ist der smarte Manager schon qua Geburt immer Außenseiter gewesen. Sein Vater war Vorstand beim Energieriesen RWE. Dazu sein Auftreten: Bierhoff hatte auch als Spieler die Haare schön, er macht sich nicht nur Gedanken, er kann sie auch ausdrücken – allein das lässt ihn als ausreichend verdächtig erscheinen.

Dabei kann Bierhoff zumindest als Fußballer eine Aufsteigerbiografie vorweisen, die das Volk doch im Grunde so schätzt: Er hat sich regelrecht hochgearbeitet, mehr aus sich gemacht, als sein Talent ihm vorgegeben hat. Über Österreich und die zweite italienische Liga schaffte es Bierhoff bis in die Nationalmannschaft. Als er 1996 debütierte, war er schon 27. Der Stürmer mit den limitierten Fähigkeiten durfte mit zur EM und saß nur auf der Bank. Auch im Finale. Die Tschechen gingen in Führung. Bierhoff wurde eingewechselt, köpfte den Ausgleich, und in der Verlängerung stümperte er den Ball mit Hilfe des tschechischen Torwarts zum 2:1 ins Tor. Er hatte Deutschland zum Europameister gemacht. Bis heute ist es der letzte Titel geblieben.

Und trotzdem. Schon lange vor dem aktuellen Streit hat der „Spiegel“ Bierhoff als „Reizfigur des deutschen Fußballs“ bezeichnet. Es ist auffällig, wie viele Aversionen er bei den alten Kämpen des Fußballs auslöst, bei den Netzers, Beckenbauers und Kahns. Karl- Heinz Rummenigge, noch so einer aus dem Milieu, hat Bierhoff als „Ich-AG vom Starnberger See“ verspottet, und auch die Liga hat sich oft genug von ihm bevormundet gefühlt – gerade weil Bierhoff seine Vorstellungen mit viel Verve und in missionarischem Ton verträgt.

Es gibt wohl noch ein paar alte Rechnungen zu begleichen. „Ich bin es ja gewohnt, dass man versucht, mich in die Ecke zu drängen“, sagt Bierhoff. Im Streit zwischen Löw und dem DFB nimmt er für die Öffentlichkeit längst die Rolle des Sündenbocks ein, der Löw die unmoralischen Forderungen erst eingeflüstert hat. Der Bundestrainer fremdgesteuert? „Wir haben als Team agiert“, sagt Bierhoff. „Da steht Jogi voll an meiner Seite.“ Das soll auch so bleiben. Stefan Hermanns

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