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PORTRÄT STEFANIE SCHÜLER-SPRINGORUM NS-HISTORIKERIN:: „Mehr wissen auch über Rachegedanken“

Das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung steht vor einem Neuanfang. Die Technische Universität Berlin, an der das Zentrum seit 1982 angesiedelt ist, will der Hamburger Historikerin Stefanie Schüler-Springorum die Leitung übertragen – als Nachfolgerin von Wolfgang Benz, der im März 2011 in den Ruhestand geht.

Das Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung steht vor einem Neuanfang. Die Technische Universität Berlin, an der das Zentrum seit 1982 angesiedelt ist, will der Hamburger Historikerin Stefanie Schüler-Springorum die Leitung übertragen – als Nachfolgerin von Wolfgang Benz, der im März 2011 in den Ruhestand geht. Mit dem bevorstehenden Wechsel verbinden sich Hoffnungen, dass das renommierte Forschungszentrum aus der Kritik herauskommt, die sich vor allem auf Benz eingeschossen hat.

Der Vorwurf, den etwa der Hamburger Politologe Matthias Küntzel erhebt: Unter Benz sei das Zentrum „auf Abwege“ geraten, wende sich zunehmend von der Antisemitismusforschung ab. Dass Benz und Kollegen seit Jahren vergleichend auch zu Antisemitismus und Islamfeindschaft forschen, bedeute eine Verharmlosung des Holocaust. Benz hat sich gegen solche Vorwürfe stets mit dem Argument gewehrt, die Beschäftigung auch mit der Islamophobie sei Teil der allgemeinen Vorurteilsforschung und als Arbeitsfeld des Zentrums seit langem anerkannt.

Mit der 48-jährigen Schüler-Springorum kommt eine ausgewiesene Expertin für jüdische Geschichte und NS-Forschung nach Berlin. Seit 2001 leitet sie das Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg. Promoviert wurde Schüler-Springorum mit einer Arbeit über die jüdische Minderheit in Königsberg, betreut von Helga Grebing und Hans Mommsen in Bochum. In diesem Jahr erschien ihr Buch über die Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg. In Vorbereitung ist ein Sammelband Über „In- und Exklusionsprozesse im Kaiserreich und in der Weimarer Republik“.

Schüler-Springorum ist nicht neu in Berlin. Mitte der 90er Jahre war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Topographie des Terrors, seit 1999 Lehrbeauftragte an der Technischen Universität.

Die Frage nach expliziter Antisemitismusforschung, die im Zusammenhang mit dem schwierigen Berufungsverfahren an der TU gestellt wurde, wird Schüler-Springorum nicht anfechten: Wer sich mit jüdischer Geschichte beschäftigt, kommt am Antisemitismus nicht vorbei. Als weißen Fleck in der Forschung nannte sie kürzlich den jüdischen Widerstand. Sie wolle „mehr wissen auch über Rachegedanken, die in den Kriegsjahren weit verbreitet waren“, nach 1945 aber kaum realisiert wurden. Das könnte auch für das Berliner Zentrum ein neuer Ansatz sein. Amory Burchard

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