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PORTRÄT SVANTE PÄÄBO, ANTHROPOLOGE:: "Der moderne Mensch ist total verrückt"

Svante Pääbo ist eine weltweite Autorität. Er hat die DNS von zahlreichen ausgestorbenen Organismen entziffert. Vor allem interessiert ihn aber eine Frage: Was macht den Menschen zum Menschen?

Seine erste Mumie bekam Svante Pääbo aus Ost-Berlin. Das war zu Beginn der 80er Jahre. Der schwedische Forscher arbeitete eigentlich gerade in Uppsala an seiner medizinischen Doktorarbeit. Nachts beschäftigte ihn ein anderes Projekt: Er versuchte aus Mumienproben, die ihm das Pergamonmuseum zur Verfügung gestellt hatte, die Erbsubstanz zu isolieren. Bei einer 2400 Jahre alten Mumie eines Kindes gelang ihm das Kunststück schließlich, er landete auf dem Titelblatt der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ und war mit einem Schlag ein Star der Wissenschaftsszene.

Mittlerweile ist Pääbo nicht mehr nur ein Star, er ist eine weltweite Autorität. Er hat die DNS von zahlreichen ausgestorbenen Organismen entziffert, vom Beutelwolf, dem Riesenfaultier, einem neuseeländischen Riesenlaufvogel namens Moa und dem Mammut. „Wenn jemals ein Anthropologe einen Nobelpreis gewinnt, dann Pääbo“, sagen Kollegen. Mit der Aufmerksamkeit kommt der Schwede, dessen Vater 1982 den Medizinnobelpreis gewann, gut zurecht. Obwohl er sich unkompliziert und hemdsärmelig gibt, ist er ein geschickter Medienmanager.

Umso mehr wird es ihn geärgert haben, dass sein neuester Coup, die Entzifferung des Neandertalergenoms, von „Nature“ vorab gemeldet wurde. Dabei gibt er erst am heutigen Donnerstag im Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, an dem er Direktor ist, die groß angekündigte Pressekonferenz. Zeitgleich wird die Rede nach Chicago übertragen, wo sich die weltgrößte Wissenschaftsorganisation AAAS zum Jahrestreffen versammelt.

Dabei interessiert sich Pääbo gar nicht für den Neandertaler an sich, sondern für den modernen Menschen: „Es geht um die Frage, was den Menschen zum Menschen macht.“ Durch den Vergleich mit den Genen des Neandertalers will Pääbo in aufwändiger Kleinstarbeit herausfinden, welche genetischen Veränderungen zur Menschwerdung beigetragen haben.

Der moderne Mensch sei total verrückt, hat Pääbo einmal gesagt, sonst hätte er niemals von Afrika aus die ganze Welt besiedeln können. „Wie viele Menschen müssen auf den Pazifik hinaussegeln und auf Nimmerwiedersehen verschwinden, bis einer mal auf die Osterinsel trifft?“ Diese Verrücktheit interessiere ihn. Ähnliches könnte man auch über den menschlichen Forschungsdrang sagen. Vielleicht ist Svante Pääbo also einfach ein wenig verrückter als der Rest von uns.

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