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POSITIONEN: A 100: Von Märchen und harten Fakten

Der Weiterbau der Berliner Autobahn A 100 ist überflüssig und gestrig.

Die A-100-Debatte leidet bislang darunter, dass sich eher Bekenntnisse gegenüberstehen. Die Befürworter sagen, der Ring muss weitergebaut werden, um die Innenstadt zu entlasten. Die Gegner weisen auf Häuser, Bäume, Schäden durch Lärm und Stau hin. Zu tatsächlicher Diskussion kommt es so erst gar nicht: Die Fortführung des Stadtautobahnrings mag, nach den Erfahrungen, die man mit dem westlichen Stadtring gemacht hat, plausibel sein, ob er wirklich nötig ist, ist damit noch nicht gesagt. Der Abriss einiger Häuser und der Verlust von Bäumen mag beklagenswert sein – wenn er im Interesse der Gesamtstadt wirklich nötig wäre, müsste man das nicht doch hinnehmen?

Die entscheidende Frage ist also, ob das Projekt dort, wo es seinen Nutzen erbringen soll: im Südosten Berlins zwischen Neukölln und Treptow, tatsächlich verkehrstechnisch nötig und sinnvoll ist. Dass es dort massive Verkehrsprobleme gibt, ist nicht zu leugnen. Heute umrundet der Stadtring die gesamte westliche Innenstadt und entlastet die hoch verdichteten Stadtviertel massiv. Durch die Verlängerung bis zur Grenzallee erreicht der Stadtring auch im Südosten den entscheidenden Zielpunkt: die Anbindung an die A 113 und damit an den künftigen Großflughafen BBI und an den südlichen Berliner Ring.

Die ganze Frage ist nun, ob ein Weiterbau jenseits dieses Sollpunktes noch einen entscheidenden Vorteil bringt, einen Vorteil, der so groß ist, dass er die Eingriffe im Ortsteil Treptow (und die konkurrenzlosen Kosten) rechtfertigt. Im Westen folgt der Stadtring weitgehend dem Verlauf des S-Bahn-Rings. Das ist sinnvoll, denn dort hat die Entwicklung seit langem durch Grunewald und Havel ihre Grenze gefunden. Im Osten liegen die Dinge genau umgekehrt: Der S-Bahnring verläuft vergleichsweise zentrumsnah, und jenseits seiner, also östlich der geplanten Verlängerung der A 100, hat die gesamte Stadtentwicklung der DDR-Zeit stattgefunden. Dem entsprechen die vielen stark frequentierten Ausfallstraßen nach Osten und Südosten, deren Belastung vor allem außerhalb des Ringes ein Problem ist. Eine quer dazu, in Nord-Süd-Richtung, verlaufende Stadtautobahn-Fortsetzung würde diese Magistralen zusätzlich belasten.

Nun wird immer gesagt, der Osten müsse auch an die Autobahn so gut angeschlossen sein wie der Westteil. Dieses Argument übersieht, wie weit sich die Stadt jenseits des Rings nach Osten und Südosten ausgedehnt hat. Hohenschönhausener, Hellersdorfer, Marzahner, Friedrichsfelder Fahrer müssten, sollen sie auf den Stadtring abgeleitet werden, erst einmal nach Westen an den Innenstadtrand gebracht werden. Vor der Tür haben sie aber, da die DDR-Planer ja nicht geschlafen haben, eine eigene Osttangente: Rhinstraße/Am Tierpark/Treskowallee. Diese müsste im Süden nur besser an die A 113 angeschlossen werden.

Würde der Abschnitt 16 von Grenzallee bis zum Treptower Park die Innenstadt entlasten? Neukölln ist bereits durch den vorhandenen Ausbaustand entlastet, nur für Kreuzberg würde sich der Zugang leicht verkürzen. Dies allerdings um den Preis einer erheblichen zusätzlichen Belastung, vor allem im Ortsteil Alt Treptow. Am Knoten Elsenstraße/Am Treptower Park würde der Umschlag von der Autobahn in den normalen Stadtverkehr erfolgen. Dies unmittelbar im Wohngebiet westlich der S-Bahntrasse.

Dies würde nun aber das zentrale Treptower Verkehrsproblem, den ohnehin überlasteten Engpass Elsenbrücke, noch zusätzlich belasten, weil hier der Zentrumsverkehr von und nach Südosten vom Stralauer Ufer nördlich der Spree den Versatz zur Achse südlich der Spree zu bewältigen hat. An diesem Knotenpunkt würde mit extrem hohem Aufwand sehenden Auges eine Falle gebaut.

Das wissen die Verkehrsplaner im Senat natürlich auch. Anders gesagt, der 16. Bauabschnitt ist sinnlos, wenn nicht die Fortsetzung nach Norden mindestens bis zur Frankfurter Allee hinzukommt. Nun steht der Weiterbau nach Norden, vom Treptower Park bis zur Frankfurter Allee, aber in den Sternen – dort, nördlich der Spree, multiplizieren sich noch die Schwierigkeiten.

So bleibt nur fragen, wie zeitgemäß eigentlich die Planung ist. Das Ringsystem ist eine Idee der fünfziger und sechziger Jahre. Dass die Verkehrsplaner in der Senatsverwaltung daran hängen, ist verständlich. Aber die Politik sollte etwas weiter blicken und fragen, ob das System noch in die heutige Zeit passt. Autobesitz und Autogebrauch nehmen in Berlin statistisch ab: hier wird bald nur noch ein Drittel der Bevölkerung Auto fahren. Und dass die Entwicklung der Berliner Wirtschaft von der A100 abhänge, dieses Märchen sollte unter Erwachsenen nicht mehr erzählt werden dürfen.

Der Autor ist Stadtplaner und Publizist.

Dieter Hoffmann-Axthelm

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