zum Hauptinhalt

Meinung: Positionen: Der Wunderglaube an die Zentralisierung

Dank verdient der Berliner Senator Christoph Stölzl für sein Bemühen, die Berliner Opernhäuser auf eine gesicherte finanzielle Grundlage zu stellen. Widerspruch ruft aber das nach ihm benannte Papier hervor.

Dank verdient der Berliner Senator Christoph Stölzl für sein Bemühen, die Berliner Opernhäuser auf eine gesicherte finanzielle Grundlage zu stellen. Widerspruch ruft aber das nach ihm benannte Papier hervor. Berlin hat eine einzigartige Kulturlandschaft; Deutsche Oper, Deutsche Staatsoper und Komische Oper gehören dazu. Jedes der drei Häuser hat seine eigene Identität. Götz Friedrich hat der Deutschen Oper internationalen Rang gegeben. Es war ein Glücksfall, dass Daniel Barenboim nach Berlin kam; Staatsoper Unter den Linden und Staatskapelle verfügen heute über internationales Ansehen.

Deutschland ist ein Kulturstaat, das Ansehen Berlins und seine Anziehungskraft werden durch seinen kulturellen Rang beeinflusst. Das muss auch die Prioritätensetzung für die Kultur berücksichtigen. Der Streit zwischen Bund und Land - Naumann und Stölzl - darf nicht auf dem Rücken der Opernhäuser, ihrer Orchester und ihrer Ballette austragen werden.

Staatsminister Naumann kritisiert den Umgang Berlins mit Kulturmillionen des Bundes; Senator Stölzl kritisiert das zu geringe Engagement des Bundes. Vielleicht haben ja beide Recht. Senat und Bundesregierung sind deshalb gemeinsam gefordert. Das so genannte Stölzl-Papier - es fällt schwer, es dem hoch angesehen Christoph Stölzl allein zuzuordnen - lässt Erstaunliches verlauten: Im Kulturstaat Deutschland sollen "die künstlerischen Profile der Häuser" durch Gesetz festgelegt werden. Für inhaltliche Entscheidungen werden politische Vorgaben gefordert und für personelle auch. Die Politik soll bestimmen, welches Opernhaus Opern aus welcher Zeit spielen darf. Und das alles im Jahr 2000.

Der Wunderglaube an die Kosten sparende Wirkung von Zentralisierung durchzieht das ganze Papier. Eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit einer Generalintendanz an der Spitze soll es sein, obwohl sich doch gerade in Paris und München und anderswo erwiesen hat, dass dies die Lösung nicht ist. Berlin ist mit dem Orchester der Deutschen Oper, mit den Berliner Philharmonikern und der Staatskapelle, die ihren internationalen Rang sowohl im Konzerthaus wie im Opernhaus erworben hat, einzigartig. Eine Pool-Konstruktion für das Orchester der Deutschen Oper und die Staatskapelle beschädigt beide. Orchester und Ballette kann man nicht aufstocken, zusammenziehen und wieder trennen wie eine Kellnerkolonne bei Hochbetrieb. Sie haben ihren eigenen künstlerischen Charakter.

Und was soll die Drohung mit der Fusion für den Fall, dass die Deutsche Orchestervereinigung, die die Musiker gewerkschaftlich vertritt, den staatlichen Bedingungen für einen Haustarifvertrag nicht zustimmt? Die Deutsche Staatsoper und die Staatskapelle verfügen über eine lange Tradition. Ihre Unabhängigkeit bedeutet auch die Unabhängigkeit der Deutschen Oper. Beide Häuser sind gleichermaßen bedroht. Im Einigungsvertrag ist festgehalten, dass die kulturelle Substanz aus dem Beitrittsgebiet, also auch aus Ost-Berlin, keinen Schaden nehmen darf. Wofür kann das mehr gelten, als für Staatsoper und Staatskapelle?

Für kulturelle Einrichtungen im Osten, insbesondere in Berlin, wird eine Mitfinanzierung durch den Bund "nicht ausgeschlossen". Bei Abschluss des Einigungsvertrages hat man sich dabei etwas gedacht. Das Papier will, ohne es überzeugend belegen zu können, angeblich 20 Millionen Mark einsparen. Einmalige künstlerische Traditionen würden damit - und das für immer - aufgegeben - und alles nur, wenn "das Land Berlin die jährlichen Tarifsteigerungen" übernimmt. Und wenn nicht? Nein, so geht das nicht.

Die einmalige Intervention der Opernkonferenz in der Veranstaltung am 27. 10. 2000 in Berlin hat die Ablehnung des Stölzl-Papiers in der sachkundigen Opernwelt bestätigt, aber auch die Bereitschaft der Opernintendanten, an der grundsätzlichen Überarbeitung des Papiers mitzuwirken. Senator Stölzl sollte dieses Angebot annehmen, sein Papier in der bisherigen Form nicht weiterverfolgen und es grundsätzlich überarbeiten. Bund und Land aber sollten sich im Geiste des Einigungsvertrages zusammensetzen.

Der Autor war von 1974 bis 1992 Bundesaußenminister. Er ist Vorsitzender des Vereins der Freunde und Förderer der Deutschen Staatsoper Berlin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false