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POSITIONEN: Für mehr positive Energie in der Energiepolitik

Beide müssen sich bewegen: Union und Grüne

Die Union wird grüner, liest man allenthalben und gerade im Zusammenhang mit dem Kernkraftausstieg. Was die einen als Strategie mit Blick auf junge Wähler betreiben, treibt den anderen die Zornesröte ins Gesicht – nicht nur in der CSU. Es stimmt, dass der Zustand der FDP den Wunsch nach einer Koalitionspartneroption grünen lässt. Genauso stimmt, dass ein kleiner Koalitionspartner die Gestaltungsbasis des größeren weniger schmälert und darum aus dieser – internen – Sicht der Großen Koalition vorzuziehen ist.

Was die Union allerdings mehr zu schwarz-grünen Gedankenspielchen treibt, sind die Schnittmengen in Themen und Klientel. Die einen sprechen – aus christlicher Sicht – von Bewahrung der Schöpfung, die anderen von Ökologie. Wohlhabendere Bürger sind eine gemeinsame Zielgruppe und – besonders bemerkenswert – auch der grüne Teil ist mittlerweile in einer gewissen Weise konservativ geworden. Nicht gesehen wird dabei allerdings, dass es sich hier vielfach um eine eigene Form der Konservativität handelt, die zum Beispiel öko-romantisch versucht, eine Natur zu bewahren, die es schon seit der Industrialisierung nur noch in Schutzgebieten gibt. Oft ist die grüne Konservativität sehr ich-bezogen. Die 68er haben in jungen Jahren für sich reklamiert, es ginge nur ums Ich. Diese Ideologie mag für junge Menschen plausibel sein. Bei Älteren trägt sie aber nicht mehr weit. Die zahlreichen Alt-68er unter den Grünen-Anhängern sind sich ihres lebensalterbedingten kurzen Planungshorizonts bewusst, stellen trotzdem oder deshalb einseitig die Frage: „Was bringt das mir?“ „Nichts mehr“, heißt die stillschweigende Antwort, die den Weg in die alternde Dagegen-Gesellschaft weist. Von dieser Verhinderungskonservativität muss sich die Union abheben. Ein Plagiat hat kurze Beine.

Was den Kernkraftausstieg angeht, kommt es deshalb für CDU und CSU darauf an, dass sie nicht nur beschreiben können, wogegen sie sind, sondern wofür. Gleichwohl gibt es in der Union immer noch einige wenige, denen man die simple Logik klarmachen muss: „Wenn dein Pferd tot ist, steig ab.“ Sie sind es, die nach jahrzehntelangem Kampf glauben, die Kernenergie gehöre zum Markenkern der Union. Das Gegenteil ist der Fall: Sie ist der Markenkern der Grünen, denen ein Angstthema wegbrechen könnte, das kein Klimaszenario ersetzen kann.

Den Grünen ist gelungen, sich als Ausstiegspartei zu positionieren. Sie haben dieses Image über den Wählerbetrug 1998/2000 gerettet, wo die „Fahrradfahrerfraktion“ statt des Aussteigens aus der „unverantwortlichen Technologie“ im Tausch gegen Regierungsdienstwagen einen wenigstens 20 Jahre dauernden Weiterbetrieb verantworten konnte und dabei den Unternehmen versprach, keine weiteren Sicherheitsanforderungen zu stellen.

Jetzt ist es an der Union, das Thema abzuräumen, die Energiepolitik neu auszurichten und die Diskussion zu versachlichen. Das ist schwierig. Schließlich hat beim Ausstieg eindeutig emotio die ratio geschlagen. Der Tsunami in Japan hat nicht nur die Laufzeitverlängerung, sondern auch die angestrebten zeitlichen und finanziellen Spielräume für den Ausbau erneuerbarer Energie weggespült.

Absehbar ist: Die Stromproduktion wird teurer, klimaschädlicher – und die Abhängigkeit vom Ausland wächst. Hier den richtigen Mix zu entwickeln, ist Aufgabe der Regierungskoalition. Ob dabei gleichzeitig der Ausbau erneuerbarer Energien gelingt, hängt von der Prioritätensetzung ab: Mehr Windstandorte, neue Speicher- oder Wasserkraftwerke, das geht am Ende nur mit weniger Landschafts- und Naturschutz. Bewegen müssen sich dazu beide: Koalitionspolitiker, die immer noch skeptisch sind hinsichtlich der Erreichbarkeit von Ausbauzielen, und die Grünenpolitiker, die theoretisch für 100 Prozent erneuerbaren Strom sind, sich praktisch aber bei jeder Bürgerinitiative gegen konkrete Projekte beteiligen.

Der Autor ist wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag.

Georg Nüßlein

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