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POSITIONEN: Stauffenberg, Superstar?

Im Rummel um Tom Cruise wird die Rolle des Nazigegners überhöht Von Peter Steinbach

Folgenreicher als das Geplänkel um Drehgenehmigungen und Tom Cruise ist die Umbewertung des Widerstands, die in der Konzentration auf Claus von Stauffenberg sichtbar wird. In der Nachkriegszeit wurde er von der Mehrheit der Deutschen, die willig der Hakenkreuzfahne gefolgt waren, Verräter genannt. Das veränderte sich seit den fünfziger Jahren. Stauffenbergs Anschlag wurde zwar moralisch aufgewertet, doch gleichzeitig wurde der militärische vom Gesamtwiderstand isoliert. Die Folge war eine sich verstärkende Kritik an der Überhöhung des militärischen Widerstands. Erst in den späten sechziger Jahren gelang der Versuch, in der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand die Breite, Vielfalt und Widersprüchlichkeit des Widerstands darzustellen.

Nun aber wird Stauffenberg völlig überhöht, und wenn der Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck ihn als eine Art Übermensch ironisiert, dann wird gerade von der dramatischen inneren Geschichte abgelenkt, für die er steht. Stauffenberg musste Fehlurteile überwinden, die er nicht selten mit den Nazis geteilt hatte. Dabei half ihm wie anderen Gegnern Hitlers ihre Fähigkeit zur Distanzierung von Zeitströmungen.

Regimegegner besannen sich auf Traditionen, die dem weltanschaulichen Führungsanspruch der Nationalsozialisten strikt zuwiderliefen. Für Stauffenberg war wichtig, dass er sich auf Stefan George beziehen konnte. Er hatte die Verantwortung des Einzelnen in der Auseinandersetzung mit dem Widerchrist betont. Das war elitär, aber nicht überheblich.

Gerade George wird nun von FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher als eine Art Guru bezeichnet, der möglicherweise den Scientologen so nahe käme, dass heute vermutlich nicht einmal Stauffenberg selbst Stauffenberg spielen dürfe. Ernst zu nehmen ist dieses Beispiel einer If-History gewiss nicht. Dass die Debatte intellektuell dürftig verläuft und nichts mit der Freiheit der Kunst zu tun hat, hat auch Donnersmarck gezeigt, als er schrieb: „Aber ist es nicht herrlich, dass wir in einer Welt leben, in der ein halb erfolgreicher Science-Fiction-Autor zum hundertfachen Millionär werden kann, indem er seinen Jüngern erzählt, dass vor 75 Millionen Jahren ein höherer Herrscher namens Xenu viele Milliarden seiner Subjekte in Vulkane abgesetzt und mit Wasserstoffbomben in die Luft gesprengt hat? Dass die rastlosen Seelen dieser Ermordeten noch heute die Quelle all unseres Leidens auf Erden sind?“

Religionsstiftung als Show, als Geldschneiderei und dies mit merkwürdigsten Argumenten, Verzeichnungen, Unterstellungen. Darum geht es, nicht um die Freiheit der Kunst, sondern darum, die moderne Erregungskultur immer neu anzuheizen. Gleichzeitig lenkt diese Debatte von zentralen Fragen der Bewertung des Widerstands ab und fällt in der Konzentration auf die Person Stauffenberg weit in die späten fünfziger und sechziger Jahre zurück. Wer hält stand?, hatte Bonhoeffer am Jahreswechsel 1943 gefragt, worauf stützt sich die Kraft des Menschen, den Sogströmungen seiner Zeit zu widerstehen, sich zu empören, Unrecht zu erkennen, auf Übergriffe zu reagieren, Schweigespiralen der Fraglosigkeit zu unterlaufen? In der Widerstandsforschung wird diese Frage längst gestellt. Deshalb suchten Widerstandshistoriker nach den Umschlagpunkten von der Wahrnehmung des Unrechts in die nun keineswegs sterile Empörung einer Erregungsgesellschaft, sondern in die Auflehnung gegen ein verbrecherisches Regime.

Stauffenberg ist nicht das schlechteste Beispiel eines Menschen, der sich dem weltanschaulichen Führungsanspruchs eines Regimes widersetzt, der unabhängig urteilt, die Realität durchschauen, sie aber nicht durch Meinungen vernebeln will. Dass Schirrmacher ihn zum wahnhaften Anhänger eines Gurus namens Stefan George macht, ist vielleicht ein Beleg dafür, dass die Diskussion fortgesetzt werden soll nicht als Debatte über Tom Cruise, sondern als Kritik an einer Zeitung, hinter der nun wahrlich nicht immer ein kluger Kopf, sondern durchaus auch einmal ein Kampfjournalist steckt, der schneller schreibt als recherchiert oder gar denkt.

Der Autor ist wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und lehrt Geschichte an der Universität Karlsruhe.

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