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Meinung: Positionen: Und die Abrüstung? Europa hat ein Anrecht darauf

Die Begegnung der Präsidenten der USA und Russlands hat den Willen beider Weltmächte zum Dialog als Voraussetzung konstruktiver Zusammenarbeit unterstrichen. Das sollte auch einen positiven Einfluss auf den Verlauf des bevorstehenden G-8-Treffens haben.

Die Begegnung der Präsidenten der USA und Russlands hat den Willen beider Weltmächte zum Dialog als Voraussetzung konstruktiver Zusammenarbeit unterstrichen. Das sollte auch einen positiven Einfluss auf den Verlauf des bevorstehenden G-8-Treffens haben. Mehr lässt sich derzeit noch nicht vermelden, aber man sollte das erkennbare Bemühen, gegenseitigen Respekt und Willen zur Zusammenarbeit auszudrücken, nicht unterschätzen.

Für Europa besteht Anlass zu neuer Aktivität bei der Lösung der globalen Probleme. Die Frage der Ratifikation des Kyoto-Protokolls ist eine für Europa bedeutsame Frage und sie verliert nicht an Bedeutung, weil sie für das amerikanisch-russische Verhältnis nicht im Vordergrund steht. Die Frage der Aufnahme neuer Mitglieder in die Nato ist eine Angelegenheit des ganzen Bündnisses und nicht nur eine Frage zwischen Washington und Moskau. Und die Haltung zum ABM-Vertrag und auch zu einem Raketenabwehrsystem (MD) bleibt eine Frage an die Europäer - unabhängig davon, wie Washington und Moskau diesen Problemkreis im bilateralen Verhältnis behandeln.

Die Kernfrage, die heute vor allen Staaten und Regionen der Welt steht, ist die Entscheidung für eine multipolare und kooperative Weltordnung, gegründet auf Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit oder aber für eine unipolare Weltordnung unter westlicher Dominanz unter Führung der heute in jeder Hinsicht, sowohl politisch wie ökonomisch, militärisch und wissenschaftlich stärksten Macht der Welt, der USA. Im Zeitalter der Globalisierung ist der Weg zu einer kooperativen Weltordnung die einzige Chance, neue Rivalitäten und Spannungen zu vermeiden, wie wir sie aus dem Europa des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kennen. Besonders transparent wird das vor dem Hintergrund der Sorge um die Ausbreitung von Massenvernichtungswaffen.

Washington und Moskau sind der Welt noch immer die Einlösung des nun mehr als 30 Jahre alten Versprechens aus dem Nichtverbreitungs-Vertrag zu durchgreifender nuklearer Abrüstung schuldig. Die Welt braucht eine entschlossene Durchsetzung des Nichtverbreitungsregimes und nicht eine endlose Diskussion über vielleicht mögliche Raketenabwehrschirme. Die unverzichtbare Glaubwürdigkeit für die Durchsetzung eines solchen Regimes verlangt von den größten Atommächten die Einhaltung der eigenen Verpflichtungen.

Deutschland kann als Land, das auf nukleare Waffen in jeder Hinsicht verzichtet hat, in dieser Frage mit besonderer Glaubwürdigkeit als Mahner auftreten. Im Übrigen ist nicht nur die Ausbreitung nuklearer Waffen, sondern auch die chemischer und biologischer Massenvernichtungsmittel eine Gefahr für die Menschheit. Vor allem die biologischen Massenvernichtungsmittel können durch Terroristen mit Kofferbomben zu einer Gefahr für die ganze Menschheit und zu einem schrecklichen Erpressungspotenzial werden. Die Staatengemeinschaft muss alle ihre Möglichkeiten darauf konzentrieren, die Produktion solcher Massenvernichtungsmittel, ihren Erwerb und Transport mit allen Mitteln zu verhindern.

Es ist offenkundig, dass eine global angelegte Stabilitätspolitik China, Indien, Japan und die anderen Regionen der Welt einbeziehen muss. Das betrifft keineswegs nur die militärischen und sicherheitspolitischen Aspekte globaler Stabilität, sondern genauso ökologische Stabilität und besonders dringlich im Blick auf die Lage in der sogenannten Dritten Welt die ökonomische Stabilität - das heißt: die Schaffung globaler Rahmenbedingungen, die es den Entwicklungsländern ermöglichen, ihre Standortvorteile in der neuen globalen Weltordnung zur Geltung zu bringen.

Europa, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine neue Kultur des Zusammenlebens zwischen großen und kleinen Staaten entwickelt und den Ost-West-Gegensatz friedlich überwunden hat, ist in besonderer Weise dazu aufgerufen, seine Erfahrungen mit einer auf Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit beruhenden europäischen Kooperationsordnung in die Entwicklung einer neuen kooperativen Weltordnung einzubringen.

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