zum Hauptinhalt

POSITIONEN: Warum ich Angela Merkel liebe

Diese ruhige Kanzlerin kann Deutschland aus seiner Lethargie retten - und wenn die Deutschen sie nicht wollen, sollen sie sie bitte nach Amerika schicken!

Ich liebe Angela Merkel. Ich liebe, wie sie spricht, wie sie geht, wie sie Vertrauen ausstrahlt. Ich liebe, wie unwohl sie sich auf dem Podium fühlt. Ich liebe, wie sie zuversichtlich auf ihre Zuhörer guckt. Ich liebe ihre Besonnenheit und Vernunft. Ich liebe, wie sie langsam und bedächtig läuft. Und ich liebe sie auch, weil sie ein bisschen langweilig ist. Merkel erinnert mich an den beliebten Spruch: So schnell schießen die Preußen nicht!

Merkels politische Schwächen sind meiner Ansicht nach große Tugenden. Sie ist nicht pompös. Sie redet ungern von sich. Sie redet nicht immer völlig fließend, sondern überlegt, was sie sagen will. Deshalb glaube ich, dass sie nicht nur dieses Mal wieder gewählt wurde, sondern dass sie auch in Zukunft wiedergewählt wird. Nicht nur das: Ich vermute, dass Merkel als einer der größten Bundeskanzler in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Ich weiß: Die Bundeskanzlerin ist in Deutschland vielleicht eher respektiert als beliebt, von den USA ganz zu schweigen. Aber gerade deshalb ist meine Achtung für Bundeskanzlerin Merkel so groß. Wie es manchmal bei Großen der Fall ist, wird auch sie häufig unterschätzt. Man denke nur an Helmut Kohl, der ständig von der Presse schlecht gemacht wurde während seiner frühen Amtszeit. Es dauerte Jahre, bevor seine Fähigkeiten Anerkennung fanden.

Ich muss natürlich hier gestehen, dass ich neulich auf Einladung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung nach Deutschland gereist bin. Ich hatte mir aber nie vorgestellt, mich zu verlieben. Aber wie es manchmal bei der Liebe sein kann, wurde ich von der Ausstrahlung der Bundeskanzlerin einfach überwältigt. Es passierte bei ihrer Abschlusskundgebung vor der Wahl in Berlin. Die ganze Woche lang hatte ich nur davon gehört, dass die CDU unzufrieden mit ihr sei. Sollte die Wahl schlecht für die CDU ausgehen, dann wäre die Partei bereit, endlich mit Merkel Schluss zu machen. Eine Frau am Steuer sei doch im Grunde nicht das was die Partei sich wünsche usw.

Dann kam Merkels Rede. Ich saß auf der Zuschauertribüne und war schon vollständig ausgestattet: mit einem DeutschlandteAM- T-Shirt, einer schwarzen CDU- Mütze und einer CDU-Fahne. Dann sah ich Merkel keine drei Meter von mir entfernt, als sie durch die Zuschauer ging. Ich war sehr beeindruckt von ihrer Würde: So ruhig war sie, so gelassen. Als sie ihre Rede hielt, war ich nur noch mehr beeindruckt. Am Ende, als sie über die deutsche Wiedervereinigung sprach, wurde mir klar, dass Merkel, im Gegensatz zu den üblichen Floskeln, die westdeutsche Politiker von sich geben, eine Gestalt ist, die bis zum letzten Zeugnis ablegen wird.

Aber gerade weil Merkel schon so viel durchgemacht hat, wird sie auch zusammen mit der FDP bedächtig vorgehen. Wie eine weise Tante in der Familie, die über Kenntnisse verfügt, die die anderen gar nicht wahrnehmen, kann sie jetzt den Ehrgeiz der FDP, alles über Nacht umzustürzen, in die richtige Bahn lenken – sei es die Steuerpolitik oder die Staatsverschuldung. Bald wird die FDP erfahren, dass Merkel, nicht sie, das Sagen hat.

Ganz gewiss stehen große Aufgaben vor Merkel in der Innen- wie in der Außenpolitik. Aber gerade die Unauffälligkeit und Zähigkeit Merkels werden es ihr erlauben, Deutschland aus seiner Lethargie zu retten. Viele Deutsche beneiden Amerika wegen Obama. Ich sehe es umgekehrt. Ich beneide euch um Merkel. Sollte sie in Deutschland scheitern, was sehr unwahrscheinlich ist, darf sie gern nach Amerika auswandern und Sarah Palin 2012 die Nominierung der Republikaner als Präsidentschaftskandidatin wegnehmen. So eine Frau wie Merkel könnten wir in den USA gut gebrauchen.

Der Autor ist Senior Editor beim „National Interest“.

Zur Startseite