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Pro Reli: Mit dem Geist in Anatolien

Fragt man in den Moscheevereinen nach, stößt man auf Verwunderung. Volksbegehren? Was ist das? Warum sich die Muslime nicht an Pro Reli beteiligen.

An zu großer Schüchternheit liegt es wohl nicht. Muslime sind meist nicht verlegen, wenn es darum geht, mehr Rechte für sich und ihre Religionsausübung einzufordern. Das ist auch gut so, schließlich sind sie die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland. Aber warum hört man ausgerechnet jetzt so wenig von ihnen?

In Berlin läuft das Volksbegehren Pro Reli auf Hochtouren. Dabei geht es nicht nur um den christlichen Religionsunterricht, sondern auch um den jüdischen und muslimischen. Aber auf den Podien streiten nur Christen, auf den Straßen und Plätzen sammeln Kirchenmitglieder Unterschriften. Wo sind die Muslime?

Fragt man in den Moscheevereinen nach, stößt man auf Verwunderung. Volksbegehren? Was ist das? Dass man in einer Demokratie als Bürger etwas tun kann, um seine Wünsche durchzusetzen, dass man Bürgerinitiativen gründen und Volksbegehren anstoßen kann, damit können viele Muslime nichts anfangen. Es fehlt ihnen schlichtweg an zivilgesellschaftlichem Bewusstsein.

Das zeigte sich auch, als Berliner Imame neulich Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse besuchten. Warum der Staat ihnen keine Moschee auf dem Kurfürstendamm baut, wurde Thierse gefragt. Und ob er der Presse beibringen könne, dass die nicht mehr so schlecht über die Muslime schreibt. Thierse lächelte freundlich und schüttelte den Kopf. In einer Demokratie seien Moscheen, Kirchen, Synagogen Sache der Religionsgemeinschaften. Und nein, der Presse könne er nichts vorschreiben, nur weil er Politiker sei.

In vielen arabischen Staaten, aus denen die Imame kommen, werden die Medien mehr oder weniger von oben gelenkt, und der Staat baut die Gotteshäuser. Dieses Politikverständnis haben viele Muslime offenbar immer noch verinnerlicht, auch wenn sie schon seit zwanzig Jahren hier leben. Und die Jungen, die in Deutschland aufgewachsen sind und es besser wissen müssten, interessiert es nicht. Das zeigt, wie kläglich es um die politische Integration vieler Muslime steht. Und die muslimischen Vereine und Organisationen lassen sich eine große Chance entgehen.

In den vergangenen Wochen hätten sie zeigen können, dass sie eine Kraft sind, mit der man rechnen kann und muss. Pro Reli hätte ihnen eine medienwirksame Bühne geboten. Beim Unterschriftensammeln wären sie mit Berlinern ins Gespräch gekommen, auch mit denen, die ihnen skeptisch gegenüber stehen. Und nicht zuletzt hätten sie Bischof Wolfgang Huber an ihre Seite zwingen können, der sich mit muslimischen Verbänden auch schon überworfen hat.

Vermutlich gibt es muslimische Verbände, die sich am Pro-Reli-Volksbegehren nicht beteiligen, weil sie gar keinen staatlichen Religionsunterricht wollen. Aber auch das hätten sie in die Debatte einbringen können. Stattdessen feilt der deutsche Koordinierungsrat der Muslime an Stellungnahmen zum Krieg in Gaza. Die Musik spielt hier in Deutschland. Schade, dass diese Botschaft immer noch nicht angekommen ist.

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