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Meinung: Projekt Durchboxen

Parteien im Jahr 2004: die FDP

Es gibt die These, die FDP habe schlechte eineinhalb Jahre hinter sich. Das stimmt nicht. Die Liberalen hatten grauenhafte 18 Monate: Karsli, Möllemann-Friedman, Spendensumpf, verpatzter Regierungswechsel, stete Kritik am Parteichef, ein tragischer Tod. Und dies trotz eines Paradoxons: Seit Mai 2001, als Guido Westerwelle Vorsitzender wurde, sind die Bürger 13 mal zur Wahl gegangen. Und jedes Mal legte die FDP zu.

Ein Widerspruch? Ja – und ein Hinweis auf das Problem der Liberalen. Die Stimmung widerspricht den Zahlen. Bis zum Frühjahr 2002 war es genauso, nur galoppierte da die Stimmung der Realität davon. Heute ist die FDP vom dritten Platz im Parteienspektrum weit entfernt, jenem vor den Grünen. Trotz der Zuwächse. Westerwelle wird mal Hybris und mal Beratungsresistenz vorgeworfen. Mancherorts werden Wetten abgeschlossen, wie lange er sich hält. Wahrscheinlich liegt auf der sicheren Seite, wer davon ausgeht, dass Westerwelle die FDP in die Bundestagswahlen 2006 führen wird.

Noch ein Widerspruch? Eher ein Bekenntnis zur Realität. Nach der Alternative, einem Parteichef Rainer Brüderle, gelüstet es zu wenige. Es gibt noch eine These: Die FDP sei „eine Frau ohne Unterleib“, eine Partei ohne Basis. Auch dies stimmt nicht. An fünf Landesregierungen ist die FDP derzeit beteiligt. In fünf Ländern wird 2004 gewählt. Viermal (Brandenburg, Sachsen, Saarland, Thüringen) startet die FDP außerparlamentarisch; einmal, in Hamburg, kommt sie aus einer gescheiterten Koalition heraus. Im für die Liberalen schlimmsten Fall, einem Sieg von Rot-Grün in der Hansestadt, verliert die FDP eine Landesregierung und kommt ansonsten nirgendwo in ein Parlament. Auch bei der Europawahl geht es um den Wiedereinzug. Klappt das alles nicht, sieht das desaströs aus. Das Fünf-Prozent-Damokles-Schwert wird wieder beschworen. Doch auf dem Papier würde sich viel weniger ändern.

So wird 2004 für die FDP zur Durststrecke, die für die Konsolidierung genutzt werden muss. Denn entscheidend ist, was später gewählt wird: die Landesregierungen in Kiel und Düsseldorf. Ersetzt dort zweimal Schwarz-Gelb die gegenwärtige Kombination aus Rot-Grün, ist für die Bundestagswahl 2006 eine Eigendynamik vorgezeichnet, die für sich genommen noch nichts entscheidet, die aber prägend sein kann. Übrigens wären dann die Grünen die Partei ohne Unterleib: Mitregenten im Bund, aber in den Ländern, vielleicht bis auf Hamburg, ohne Gestaltungsmacht. Und die FDP könnte durch die Kür eines neuen Generalsekretärs beim Parteitag 2005 ein weiteres Signal für den Bund 2006 setzen.

So düster sieht es also nicht aus. Nur: Wie kommt die FDP dahin? Ohne 2004 zu verhungern, sich zu zerreiben, von Existenzängsten umgetrieben zu werden? 2004, im liberalen Wartejahr, gibt es ein Großereignis, das Westerwelle auf akzeptable Weise mitgestalten muss: die Nachfolge von Johannes Rau. Und er muss in der Mitgliedschaft die Realität dem Image anpassen. Das Image: Die FDP, die Partei der Jungen. Die Realität: Die FDP, die Partei alter Männer. Nur 23 Prozent sind Frauen; keine 20 Prozent aller Mitglieder sind jünger als 35 Jahre.

Sommer 2002 bis heute: Das sind die eineinhalb Jahre, in denen der FDP die Begeisterung abhanden kam. 2004 wird kaum das Jahr werden können, in dem sie wiederkehrt. Durchboxen ist angesagt, hart bleiben.

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