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Testfahrt. Auf einem Parcour soll erprobt werden, ab wie viel Promille Alkohol im Blut ein Fahrradfahrer fahruntauglich ist.

© dpa

Promillegrenze für Fahrradfahrer: Zwei Schnäpse weniger

„Trunkenheit im Verkehr“, Paragraf 316 Strafgesetzbuch - für Fahrradfahrer liegt die Grenze bei 1,6 Promille. Das ist viel zu hoch, heißt es. In dieser Woche diskutiert darüber der Verkehrsgerichtstag. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut hat. Die Grenze steht im Straßenverkehrsgesetz, Paragraf 24a. Was wäre, wenn das Wörtchen „Kraft“ gestrichen würde? Solches diskutiert der Verkehrsgerichtstag in dieser Woche, ein Juristengremium, das den Gesetzgeber beraten will. Diesmal nehmen sich die Experten die Fahrradfahrer vor. „Kraft“ streichen? Sicher wäre eines – nämlich die Empörung groß.
Das Fahrrad wird zunehmend das, was früher mal das Auto war: Hort der Freiheit, Ausdruck von Individualität, Inbegriff von Modernität, Statussymbol. Regeln passen da schlecht. Deshalb dürfen Radfahrer im Prinzip frei trinken. Normalgewichtige können noch nach einer Druckbetankung von fünf Hefeweizen nach Hause strampeln. Bis dahin gibt es keinen Grenzwert, keine Verbote. Erst darüber wird es kritisch, dann schlägt das Gesetz umso härter zu. Denn bei „Trunkenheit im Verkehr“, Paragraf 316 Strafgesetzbuch, steht nichts von „Kraft“. Dort heißt es nur: „Fahrzeug“. Für Radler liegt die Grenze bei 1,6 Promille.
Gegen neue, niedrigere Grenzen spricht nur ein Argument, nämlich dass Radler vor allem sich selbst gefährden. Das ist zu wenig. Studien belegen, dass betrunkene Unfallfahrer eine relevante Größe in den Statistiken sind, dass sie dabei meist über 1,6 Promille haben. Fahrradfahrer, die trinken, trinken viel. Straßenverkehr ist zudem ein soziales Geschehen, die eigene Gefährdung kann auch für andere zum Schicksal werden.

Hauptsache, die Kiste fährt, wohin der Fahrer will

Autofahrer schlucken alles, von Alkoholgrenzwerten über Benzinpreiscasino und Innenstadtstau bis zur Gurtpflicht. Hauptsache, die Kiste fährt, wohin der Fahrer will. Insbesondere der Kampf gegen Suff am Steuer ist ein Erfolg, gemessen an den Unfallzahlen und am Bewusstseinswandel. Auch damals hatte man gestritten, ob die Schritte wirklich notwendig, also unerlässlich sind. Doch darum geht es nicht. Es geht darum, ob die Verkehrssicherheit entscheidend verbessert wird. Das ist auch im Fall schärferer Beschränkungen für Radler zu erwarten. Die schwierigste Übung ist, vor dem dritten Glas Wein den Gedanken zuzulassen, dass man noch fahren muss – und zwar Rad. Eine Übung, die jeder bewältigen kann, der dies nach einem Glas auch beim Auto schafft. Verhältnismäßig muss eine neue Grenze sein, also muss sie Rücksicht nehmen auf Unterschiede, die tatsächlich vorhanden sind. Der betrunkene Radler ist im Vergleich zum Autofahrer ein kleineres Risiko und er kann sein Fahrzeug besser beherrschen. So könnte eine neue (Bußgeld-)Grenze bei 1,1 Promille liegen. Ein vernünftiger Wert, zumal Radler immer noch eine Alternative haben, die Autofahrern verwehrt ist. Sie können ihr Fahrzeug nach Hause schieben.

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