zum Hauptinhalt
Die Polizei versucht Wege im Stuttgarter Schlossgarten zu räumen, den eine Gruppe von Demonstranten blockierte.

© rtr

Protestkultur: Wie viele Demonstranten sind genug?

Zehntausende Demonstranten in Stuttgart und Gorleben. Aber wie viele und welche Protest-Menschen sind notwendig, um eine Entscheidung zu kippen? Eine Glosse.

Nehmen wir die Ergebnisse aller einschlägigen Talkshows zusammen, dann ist die Demokratie zwar noch nicht tot, riecht aber schon ein wenig streng. Notwendig zur Genesung ist demnach eine Art Vormundschaft. Die Demokratie darf machen und Ergebnisse erzeugen wie früher – aber dann schauen die Bürger drauf und befinden abschließend, ob ihnen das Ergebnis gefällt, und was es kostet. Wenn nicht, kommt es in die Tonne.

Das klingt superdemokratisch so weit, allerdings stecken die Probleme im Detail. Denn wie viele Bürger brauchen wir jeweils? Im Falle Stuttgarts zum Beispiel demonstrieren durchschnittlich, sagen wir, zehntausend Menschen, darunter viele Hausfrauen, Professoren sowie ein populärer Schauspieler. Damit ist nach herrschender Meinung das Quorum für die Tonne erreicht.

Schwieriger liegen die Dinge dagegen, wenn ein schwarzer Block antritt und mit harten Gegenständen wirft – auch dies sind ja Bürger, die ihrer Meinung Ausdruck verleihen, nur eben mit recht fragwürdigen Mitteln. Hier wird man also doch mindestens 20 000 Teilnehmer fordern müssen, um die jeweiligen Wünsche (z. B. „Killt das Schweinesystem!“) als legitim einzustufen und schrittweise umzusetzen. Besonders vertrauenswürdige Personen wie Radiologen oder Ökolandwirte sollten ihren Willen dagegen schon mit einem Aufmarsch von tausend Teilnehmern bzw. Nutztieren durchsetzen können.

Ergänzend wäre an ein Bonussystem zu denken. Die Teilnahme von Claudia Roth beispielsweise bringt 30 Prozent Ermäßigung, oder 40, wenn sie auch eine Rede hält. Gregor Gysi wäre mit zehn Prozent zu veranschlagen, weitere zehn kommen hinzu, wenn er mit dem Traktor vorfährt. Roth plus Rede von einem Traktor aus, den Gysi lenkt, wären also schon locker 60 Prozentpunkte, genug, um ein Votum von 400 Ökobauern durchzusetzen. 325, wenn Claudia Roth noch ein paar Tränen vergießt.

Nur ein Beispiel! Alle Details regelt die Stuttgarter Tabelle, die nun schleunigst zusammengestellt gehört, am besten unter der Leitung von Heiner Geißler und Karl Lauterbach. Sehr wichtige Grundregel für die reformierte deutsche Demokratie: Was Günther Jauch sagt, wird gemacht. Der kriegt für alles eine Mehrheit, auch ohne Traktor.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false