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Meinung: "ran": Wir sind das (TV-) Volk

Es ist ziemlich schwer, nicht schadenfroh zu sein. Leo Kirch hat zerknirscht den Rückzug angetreten, auch wenn das Ganze als neue Strategie verkauft wird, die mal wieder "Premiere" retten soll.

Es ist ziemlich schwer, nicht schadenfroh zu sein. Leo Kirch hat zerknirscht den Rückzug angetreten, auch wenn das Ganze als neue Strategie verkauft wird, die mal wieder "Premiere" retten soll. Fußball in Sat1 kann man wieder zur gewohnten Zeit sehen - zwischen 19 Uhr und 20 Uhr 15. Kirchs Erpressungsversuch ist gescheitert: schnell und eindeutig. Der Trick, Fußball zu verknappen, um so den Süchtigen "Premiere" aufzuzwingen, hat nicht geklappt.

Zum Thema Online-Umfrage: Geht Kirch mit Premiere endgültig baden? Konsumenten und Fans haben ihre Macht gezeigt, zu boykottieren, was ihnen nicht passt. Die miesen "ran"-Quoten resultierten nicht nur daraus, dass die Leute am Samstagabend halt kein Fußball schauen. Da war auch bewusste Verweigerung im Spiel, eine Trotzreaktion. Kirch hatte demonstriert, dass er das Publikum für ein willenloses, manipulierbares Objekt hält. Und das Publikum hat demonstriert, dass es die Sache anders sieht. Entweder Fußball im Free-TV zu einem ungünstigen Zeitpunkt sehen - oder "Premiere" abonnieren. Das Publikum antwortet auf dieses "entweder oder" kristallklar: "weder noch".

"Ran" ist ein Exempel, anwendbar auf andere Fälle: So mächtig kann das TV-Volk sein. Das weiß es jetzt. Alle Bilder stehen still, wenn unser starker Arm es will. Oder beser: der Finger an der Fernbedienung.

Außerdem soll es in "ran" künftig kein Studiopublikum mehr geben, keine Menschen, die grundlos glücklich in die Kamera starren und mit den Füßen trampeln als würden sie dafür bezahlt. Jörg Wontorras Charmeversuche bleiben, die Werbeblöcke sowieso. Auch die endlosen Superzeitlupen von Trainern, die sich ärgern oder sich freuen (was sonst?) wird es zukünftig geben, ebenso den "ran"-Kommentarsound, der noch das ödeste Spiel schön redet. Aber das Studiopublikum, die symbolische Repräsentanz der TV-Zuschauer im Bild, diese Karikatur demokratischer Teilhabe, wird uns nicht weiter quälen.

Der Kirch-Konzern versucht "Premiere" jetzt mit neuen Angebot flott zu machen. Das wirkt schon ein wenig verzweifelt. Für 60 Mark im Monat Sport komplett, für 30 ein "Basispaket" mit einer Fußballzusammenfassung Samstag um 17 Uhr 30. Der Konzern braucht bis Ende 2002 3, 5 Millionen Premiere-Abos, gut eine Million mehr als heute. Wenn nicht, muss er eventuell 2, 5 Milliarden Mark an Murdoch zahlen. Viel Geld. Doch ob die Fans "Premiere" abonnieren, um dafür zu zahlen, was es früher umsonst gab: nämlich die Sportschau?

Stefan Reinecke

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