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Rassismus: Tübingen und seine schwarzen Köpfle

Ein Konditor aus dem Schwarzwald hat ein Schaumgebäck kreiert und es dummerweise "Mohrenköpfle" genannt. Große Empörung. Unser Kolumnist Helmut Schümann empfiehlt Gelassenheit und hält sich an die Grünen-Version.

Ellmendingen ist ein Ortsteil von Keltern, das liegt am Rande des Nordschwarzwaldes. Ellmendingen hat nur etwas mehr als 2000 Einwohner, ist also recht klein. Einer der Ellmendinger ist der Konditor Johannes Becker, möglicherweise hat er in seiner Backstube da am Rande des Nordschwarzwaldes einfach nicht mitbekommen, was alles in der Welt da draußen geredet wird. Und auch nicht, wie. Ansonsten ist Johannes Becker aber ein sehr ehrenwerter Mann, der bewusst mit den ihm anvertrauten Lebensmitteln umgeht, zum Beispiel benutzt er nur faire Schokolade, wenn er einen Schokoladenüberguss braucht. Einen solchen brauchte er im vergangenen Jahr, als er zum Tübinger Schokoladenfestival einen Eiweißschaum in einen schwarzen Eiweißschaum verwandelte. (Ist schwarz okay, wenn von dunkler Schokolade die Rede ist?). Ein fair gehandelter, dunkelhäutiger Eiweißschaum, wer könnte dagegen etwas haben? Dummerweise gab der Ellmendinger Konditor seiner Kreation einen Namen, und bot sie als „Tübinger Mohrenköpfle“ an. Das tut man natürlich nicht, wie man draußen in der Welt weiß.

In Fällen von Negerküssen und Mohrenköpfen setzt sich sofort und zu Recht die politisch korrekte Welle in Bewegung, auch wenn es sich um schwäbische, verniedlichende Köpfle handelt. Am Ende der schwäbischen Welle entschuldigte sich der Konditor für seine Unachtsamkeit und änderte den Namen. Ende der Geschichte, alle wieder beruhigen, der Mann ist kein Rassist.

Die Geschichte ist aber noch nicht zu Ende. Weil Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer die erste Aufregung nicht voll inhaltlich teilte, sondern zur Gelassenheit aufrief, hat er sich als übler Rassist geoutet. Woraufhin nun, gut zwei Monate nach dem Schokoladenfestival, der „Bund für Antidiskriminierung- und Bildungsarbeit in der Bundesrepublik Deutschland e. V.“ und das „African Diaspora Network“ einen Brief an den Bundesvorstand der Grünen geschrieben hat, mit langen Ausführungen, was Rassismus sei, wo er anfängt, und der ziemlich unmissverständlichen Aufforderung diesen schlimmen Finger Palmer zur Räson zu bringen. Wahrscheinlich hat man sonst nichts zu tun. Was die Haltung der Grünen zum Negerkuss angeht, so rennen die Aufgebrachten offene Türen ein. Schon im Jahre 1987 kamen die Fachausschüsse der grünen Bundestagsfraktion zum Schluss, den Negerkuss künftig nur noch „Nelson-Mandela-Solidaritäts-Schaumgebäck“ zu nennen.

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