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Rauchverbot: Salomonisch und spanisch

Die Entscheidung zum Rauchverbot bewegt die Deutschen wie zuletzt die Entscheidung für die vorgezogene Bundestagswahl 2005. Das Urteil ist auch ein Signal gegen den Tugendterror und Regulierungswahn.

Diskotheken brach erst mal der Internetserver des Bundesverfassungsgerichts zusammen. Auch der Sprecherin des Hohen Gerichts fielen angesichts des "extremen Medien- und Publikumsinteresses" als Vergleichsfälle aus jüngerer Zeit nur die Entscheidungen zur Erbschaftssteuer und zur vorzeitigen Neuwahl des Bundestags im Jahr 2005 ein.

Erben, Wählen, Qualmen. Was die Deutschen so bewegt. Das Karlsruher Urteil hat nun zwei Gastwirten und einem Diskothekenbetreiber aus Baden-Württemberg und Berlin recht gegeben in ihren Klagen gegen die Nichtraucherschutzgesetze der beiden Bundesländer. Tatsächlich aber betrifft diese Entscheidung auch die übrigen Länder. So stellt das Gericht jetzt fest, dass Landesgesetze zum Schutz der Gesundheit für alle Gastronomiebetriebe durchaus ein absolutes Rauchverbot verhängen könnten.

In den Bundesländern gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmeregelungen. Diese gestatten größeren Restaurants zum Beispiel abgetrennte Raucherräume. Aus Gründen des Gleichheitsgrundsatzes, der auch bedeutet, dass Ungleiches ungleich behandelt wird, sei dies aber eine unverhältnismäßige Privilegierung gegenüber den "Einraumgaststätten", der sprichwörtlichen Eckkneipe. Die nämlich könne keine Raumteilung vornehmen, und das Ausbleiben der rauchenden Stammgäste gefährde die wirtschaftliche Existenz.

Karlsruhe gibt den Ländern zur Novellierung ihrer Gesetze nun eine Frist bis Ende 2009. Doch ab sofort sollen reine Ausschankkneipen mit einem einzigen Gastraum von weniger als 75 Quadratmetern (Toiletten zählen extra!) als Raucherlokale zulässig sein, wenn sie als solche gekennzeichnet werden und Minderjährigen keinen Einlass bieten. Zudem sind Raucherräume für Erwachsene in Diskotheken gestattet. Das klingt salomonisch - oder mindestens spanisch. Zwischen Barcelona und Salamanca dürfen Raucherbodegas sogar noch ein wenig größer sein. Doch gilt das Salomonische nicht allein für die Abwägung zwischen Gewerbefreiheit und Gesundheitsschutz, dem das Gericht noch einmal Verfassungsrang einräumt.

Nein, diese Entscheidung ist auch ein Signal gegen Regulierungswahn und Tugendterror. Andernfalls müsste es längst ein generelles Alkoholverbot geben oder Gesetze gegen das Bergsteigen, Drachenfliegen oder Tiefseetauchen. Von anderen lustvollen Lebensgefahren ganz zu schweigen. Je mehr aber die gesellschaftlichen Großsysteme - Stichwort: Rentenkassen, Gesundheitsfond - sich der politbürokratischen Steuerung entziehen, desto heftiger wird der Einzelne gegängelt oder gar überwacht. Brüssel, die EU und Berlin ergänzen sich darin. Auch dies ist ein Grund für Bürgerproteste. Oder den wachsenden Widerspruch durch Verfassungsrichter.

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