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Jost Müller-Neuhof ist rechtspolitischer Korrespondent des Tagesspiegels. Seine Kolumne "Einspruch" erscheint jeden Sonntag auf den Meinungsseiten.

© Kai-Uwe Heinrich

Rechtskolumne "Einspruch": Antreten zum Kinderkriegen

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden: Soldatinnen haben ein Recht auf die Erstattung der Kosten für eine künstliche Befruchtung. Damit ist die Bundeswehr einen Paradeschritt weiter als die Zivilgesellschaft,

Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch haben eine neue Adresse, an die sie sich wenden können: Die nächste Kaserne. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung bei Soldatinnen für die Kosten einer künstlichen Befruchtung aufkommen muss (BVerwG 5 C 29.12). Die Streitkräfte sind damit, so scheint es, einen Paradeschritt weiter als die Zivilgesellschaft. Paare ohne Uniform sollen verheiratet sein und ein gewisses Alter nicht überschritten haben, damit die Krankenkasse überhaupt einen Teil der Leistung übernimmt. Wer nicht in der Lage ist, für die allfälligen Behandlungszyklen mehrere tausend Euro hinzublättern, kann sich nur noch um eine Adoption bemühen.

Die rote-grüne Regierung hat vor zehn Jahren die Erstattung von Kosten für eine künstliche Befruchtung gedeckelt

Allerdings ist das Urteil keineswegs eines, das die Bundeswehr wollte. So sehr ist ihr an Nachwuchsfragen nicht gelegen, im Gegenteil. Nach der rot-grünen Gesundheitsreform, mit der man die Leistungen für Paare mit Kinderwunsch vor knapp zehn Jahren gedeckelt hatte, wurden auch künstliche Befruchtungen aus dem Leistungskatalog für Soldaten ausgeschlossen. Allerdings existiert dieser Katalog nur als einfache Verwaltungsvorschrift. Weil aber „die Erhaltung der physischen und psychischen Integrität der Soldatinnen und Soldaten“ nach dem Urteil des höchsten Verwaltungsgerichts ein „Schutzgut von hohem Rang“ ist, müsste dies alles dringend per Gesetz geregelt werden. Bis dahin greift der Leistungsausschluss nicht, und Unfruchtbarkeit gilt als – dank In-vitro-Insemination heilbare – Krankheit. Ein gutes Signal, zumal das Gericht mit einem weiteren Urteil am selben Tag auch die Kostenerstattung für Beamte erleichterte (BVerwG 5 C 32.12).

Die Kinderwunschbehandlung ist etwas für Wohlhabende geworden

Dennoch, die Kinderwunschbehandlung ist in Deutschland etwas für Wohlhabende geworden. Diesen Missstand abzuschaffen wäre wichtiger, als etwa das Adoptionsrecht sexualneutral auszugestalten. Möchtegerneltern verfügen über keine lautstarke Lobby. Man macht es ihnen schwer, wie mit der nur zeitweilig verebbten Debatte um die Präimplantationsdiagnostik; statt sich über Kinder zu freuen, wurden Moralschlachten geschlagen. Und den Rest gibt den hoffenden Paaren dann der unausgesprochene Vorwurf, sie hätten sich einfach nur früher für ein Kind entscheiden müssen, als Jüngere, Gesündere. Was für Frauen oft bedeutet hätte: statt Karriere. Auf die Agenda der GeschlechterpolitikerInnen schafft es dieses Problem dennoch nicht.

Schade, denn wenn es eine Maßnahme der Familienförderung gibt, die sich in Geburten umrechnen lässt, dann diese. Erkannt hatte dies übrigens die allseits verfemte Familienministerin Schröder, die Bund und Länder an den Kosten beteiligen wollte. Geklappt hat das nur vereinzelt. Hoffentlich nimmt ihr Nachfolger das Vorhaben auf, mit mehr Glück.

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