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Rechtspopulismus: Nach der Schwedenwahl: Brand im Volksheim

Wenn das politische Establishment in Stockholm sich wegen des Einzugs der Rechtspopulisten ins Parlament jetzt erstaunt die Augen reibt, ist das genauso verlogen wie Teile der Debatte um Thilo Sarrazins Aussagen.

Kurt Wallander, das ist sicher, hat es nicht überrascht, dass im schwedischen Reichstag nun erstmals Rechtspopulisten sitzen. Zu oft hat der Kommissar in seiner Karriere erfahren müssen, dass es Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass auch in seinem ach so beschaulichen Land gibt. Henning Mankell ließ seine weltweit bekannte Romanfigur schon vor Jahren Brände in schwedischen Flüchtlingsheimen aufklären und die Leichenteile von ermordeten Asylbewerbern einsammeln. Brutale, aber klare Ansagen waren das, an seine Landsleute und an die Welt: Seht her, auch wir haben hier ein großes Problem, auch wir müssen etwas dagegen tun! Eine klare Ansage haben auch die schwedischen Wähler gemacht. Die Rechtspopulisten, die sich – man mag es gar nicht aussprechen – Schwedendemokraten nennen, sind zum Auffangbecken enttäuschter Wähler geworden und könnten sogar eine Schlüsselrolle für Mehrheiten spielen.

Wenn das politische Establishment in Stockholm sich jetzt erstaunt die Augen reibt, ist das genauso verlogen wie Teile der Debatte um Thilo Sarrazins Aussagen. Fakt ist: Auch in Schweden ist es den etablierten Parteien über Jahrzehnte nicht gelungen, der Bevölkerung die Angst vor dem Fremden zu nehmen. Ob Sozialdemokraten oder Bürgerliche Partei des alten und neuen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt, sie haben die Sorgen vieler Menschen gehört – aber nicht ausreichend reagiert. Es sind Ängste von Menschen, die in einem Land leben, das in Europa mit am meisten Einwanderer aufnimmt. So entstanden auch hier Parallelgesellschaften und – weil in Schweden Flüchtlinge selbst entscheiden dürfen, wo sie sich niederlassen – Phänomene wie „Lilla Bagdad“: „Klein Bagdad“ nennen viele Schweden die Stadt Södertälje südwestlich von Stockholm, wo tausende irakische Flüchtlinge wohnen.

Unter den 9,3 Millionen Einwohnern sind 15 Prozent Migranten (in Deutschland sind es 20 Prozent). Die größte Gruppe stammt aus Finnland. Durch die liberale Asylpolitik kamen vor allem in den 90er Jahren auch Zehntausende aus dem ehemaligen Jugoslawien, dem Iran und eben dem Irak ins Land. Auch wenn der schwedische Wohlfahrtsstaat, das in Deutschland vielfach verklärt betrachtete Volksheim, aus Sicht der Skandinavier schon zu dieser Zeit längst Vergangenheit war, trotzten diese Menschen den Widrigkeiten des hohen Nordens verständlicherweise gern. Und für viele, wie zum Beispiel Christen aus dem Nahen Osten, war Schweden die letzte Zuflucht.

Für Jimmie Åkesson aber, den Parteichef der Schwedendemokraten, ist Schweden nicht mehr schwedisch genug. Ausländer und Kriminalität sind seine zentralen Themen. Der 31-Jährige wirkt äußerlich eher bürgerlich, fast spießig. Und mit Neonazis will er nichts zu tun haben; dass rechte Extremisten aus der Partei verschwunden sind, geben sogar seine Gegner zu. Åkesson hat seiner Partei einen neuen Anstrich verliehen, der sie für 5,7 Prozent der Wähler – die Hürde für den Einzug ins Parlament lag bei vier – wählbar machte. Trotz oder gerade wegen Sprüchen wie: „Nicht alle Einwanderer sind Kriminelle, aber natürlich gibt es eine Verbindung.“ Und trotz oder gerade wegen eines Wahlspots, der eine Rentnerin mit einem Rollator im Wettlauf mit Burkaträgerinnen mit Kinderwagen um staatliche Zuwendungen zeigte.

Natürlich ist das Desaster auch darin begründet, dass die Sozialdemokraten ihr schlechtestes Ergebnis seit fast 100 Jahren einfuhren, weil es ihnen nicht gelungen ist, ihr Profil zu schärfen. Davon profitierte Reinfeldt, der in der ehemaligen Sozi-Bastion als erster Konservativer im Amt bestätigt wurde – ein bitterer Wahlsieg. Allen bürgerlichen Parteien hätte ein Blick in die Nachbarländer Warnung genug sein müssen. Auch in Norwegen und Dänemark sind fremdenfeindliche Parteien in die Parlamente gekommen, weil sie diffuses Unbehagen in Stimmen umsetzen konnten.

In Deutschland sind wir aus eigenem Interesse gut beraten, jetzt ganz genau zu schauen, wie Schweden mit den Populisten umgeht. Kurt Wallander übrigens ist froh, in Pension zu sein.

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