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Meinung: Rechtswege: Dabei sein ist alles

Das Fernsehen muss dabei sein. Überall.

Das Fernsehen muss dabei sein. Überall. Nicht nur bei Big Brother. Nicht nur bei Bambi. Nicht nur beim Sportler des Jahres. Es hat auch dabei zu sein, wenn der Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Finanzaffäre der CDU verhandelt. Der Programmgeschäftsführer bei Phoenix forderte das. Denn die Fernsehöffentlichkeit beschleunige die Aufklärung und damit den politischen Selbstreinigungsprozess. Volker Neumann (SPD), der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses ist natürlich auch dieser Meinung. Denn am 25. Januar 2001 soll der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl erneut vernommen werden. Neumann möchte diesen Auftritt als Pilotsendung auf die Bildschirme bringen.

Bevor sich der Supreme Court in Washington 1981 entschloss, Fernsehübertragungen aus den Gerichtssälen zuzulassen, hatte sich die ABA, eine Vereinigung amerikanischer Rechtsanwälte, an ihn gewandt. Die Vereinigung setzte sich dafür ein, die Restriktionen für das Fernsehen zu lockern. Die Anwälte witterten den gewaltigen Impuls für ihr Geschäft. Und sie begründeten ihren Vorstoß auch damit, dass die Übertragung der Untersuchungsausschüsse des US-Kongresses deutlich gemacht habe, wie wichtig es sei, die Öffentlichkeit als Zuschauer vor den Bildschirmen zu beteiligen.

Nun, wer erinnert sich nicht des von McCarthy geleiteten Untersuchungsausschusses, der die treibende Kraft einer antikommunistischen Verfolgungswelle von 1950 bis 1954 gewesen ist. Regierungsangestellte und Intellektuelle wurden verfolgt und eingeschüchtert. Das Fernsehen war immer dabei. Ende 1954 beendete der Senat das "Grusical", indem er es missbilligte. Doch das Fernsehen hatte den Schauplatz Untersuchungsausschuss erobert.

Es ist fortan stets dabei gewesen. Auch als sich die Jurymitglieder zu verantworten hatten, weil sie Hinkley lediglich in die Psychiatrie einwiesen, obwohl er ein Attentat auf Ronald Reagan begangen und diesen schwer verwundet hatte. Die Untersuchung galt der Frage, warum einer auf den Präsidenten schießen kann und trotzdem freigesprochen wird; einer Frage, die in einem Land, in dem auch Geisteskranke hingerichtet werden können, in der Tat der Antwort bedürfte. Seit damals geben Jurymitglieder Auskunft darüber, wie die Beratung verlaufen ist, wie sie abgestimmt haben und warum.

Das Bundesverfassungsgericht ist derzeit mit der für das nächste Jahr anstehenden Entscheidung befasst, ob es zulässig werden soll, Gerichtsverhandlungen live auf die Bildschirme zu bringen. Die Karlsruher Entscheidung wird auch für die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse bedeutsam sein. Vielleicht wird die Übertragung ihrer Sitzungen möglich werden, sozusagen als Pilotprojekt für die generelle Zulassung des Fernsehens in den Gerichtssälen?

In den Staaten folgte auf die Zulassung der Kameras in den Untersuchungsausschüssen auch die Zulassung in den Gerichtssälen. So konnten beispielsweise im Dezember 1991 an die 50 Millionen Amerikaner befriedigend darüber diskutieren, ob es möglich ist, dass ein nicht völlig erigierter Penis gewalttätig in die Vagina einer Frau eindringen kann, oder ob der Halbsteife dabei willigen Beistands bedarf. Denn in West Palm Beach stand ein 31 Jahre alter Medizinstudent, einer aus der Familie der Kennedys, vor Gericht, weil er eine Frau vergewaltigt haben sollte. Er wurde freigesprochen.

Immer wieder hatte er davon gesprochen, wie "embarrassed" er sei von dem, was sich ereignet habe, wie verlegen, wie peinlich berührt er sei, wie betroffen. Der Angeklagte war für einen gewaltigen Betrag vorbereitet, poliert und trainiert worden von Spezialisten. Das sah man auf dem Bildschirm nicht: da erklärte sich nur ein netter junger Mann von nebenan.

In den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren von 1988 hat bei uns der Vorsitzende zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen Ton- und Bildaufnahmen gemacht werden dürfen. Wenn er die Erlaubnis erteilt, soll er klarstellen, "dass die Rechte der betroffenen Personen unberührt bleiben". Warum also nicht die Auftritte vor den Ausschüssen auf die Bildschirme bringen? Nach der Sitzung geben die Herrschaften ja reichlich Statements vor den Kameras. Die Jagd auf Bilder ist bei uns schon ziemlich frei. Warum nicht auch den politischen Gegner vorführen, wie er ausweicht, wie er sich windet? Vielleicht schwitzt er sogar. Da muss man doch dabei sein.

Gerhard Mauz

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