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Meinung: Rechtswege: Unabhängigkeit kostet

Heute fesseln natürlich ganz andere Themen. Beispielsweise die Brüder Michael und Ralf Schumacher.

Heute fesseln natürlich ganz andere Themen. Beispielsweise die Brüder Michael und Ralf Schumacher. Die haben inzwischen die Dimension von Kain und Abel erreicht. Denn in der vergangenen Woche hat Horst E. Richter, der bekannteste Psychoanalytiker der Bundesrepublik, der "taz" gesagt: "Die Schwächeren in der Gesellschaft identifizieren sich wütend mit Ralf und erkennen darin ihre eigene Kränkung. Aber der Trend gibt doch eher Michael Recht, weil viele fasziniert sind von der Brutalität und Rücksichtslosigkeit, mit der er gewinnen will."

Und da sind wir nun doch, auch und gerade mit Michael und Ralf Schumacher, mitten im Thema Recht. Denn es wird gewählt werden in diesem Jahr in Berlin und in Hamburg. Und kein Thema ist für die Wahlkämpfer so geeignet, sowohl die Gekränkten als auch jene anzusprechen, die um jeden Preis gewinnen wollen, als die Justiz.

Nach Protesten von Richtern am Landgericht, am Amtsgericht, am Oberlandesgericht und auch der Generalstaatsanwältin hat Hamburg 1,6 Millionen Mark zur Verfügung gestellt, mit denen 22 Stellen besetzt werden können, drei Richterstellen und Stellen für nicht-richterlich Beschäftigte. 600 000 Mark waren bereits für zwei zusätzliche Strafkammern ausgeworfen worden. Die Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit sieht darin ein Signal, "dass Senat und Bürgerschaft die Nöte der Justiz sehen und - wo sie können - helfen".

Bevorstehende Wahlen sind für die jeweilige Opposition ein Labsal. Die Proteste der Richter waren in Hamburg hochwillkommener Anlass, die ihrer Meinung nach katastrophalen Zustände bei der Justiz anzuprangern. Und dann wird ja auch der Richter Schill kandidieren, der "Richter Gnadenlos" genannt wird. Es war wirklich Anlass, die Nöte der Justiz zu sehen.

Berlin hat die überraschend bevorstehende Wahl, wann und wie auch immer sie stattfinden wird, einen Justizsenator beschert. Äußerungen von Richtern und Staatsanwälten hierzu sind mir nicht bekannt geworden. Das mag daran liegen, dass die Koalitionäre CDU und SPD miteinander die Übernahme des Justizressorts durch den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen durchsetzten. Was zu sagen war, sagte Michael Streck, der Präsident des Deutschen Anwaltvereins: "Die Unabhängigkeit der Justiz gehört zu den verfassungsrechtlichen Grundsätzen und ist Voraussetzung für eine Rechtsstaatlichkeit. Ein unabhängiges und eigenständiges Justizministerium ist für das System der Gewaltentrennung unabdingbar." Und Streck appellierte, "dass dies nicht lediglich für den Übergang gilt": dafür, dass das Land Berlin künftig dauerhaft ein eigenes Justizressort erhält.

Die "Deutsche RichterZeitung" druckt in ihrem Juni-Heft einen Aufsatz von Karin Schubert, der Justizministerin von SachsenAnhalt ab, der unterstreicht, wie wichtig dieser Gewinn durch die neue Situation für die Justiz und für die Bürger, die Rechtsunterworfenen, ist. Sie spricht von den beiden anderen Gewalten, der Legislative und der Exekutive, von denen die dritte Gewalt, die Justiz, "stets misstrauisch betrachtet" wird, weil sie deren Macht einschränkt. Eine Kontrolle der Justiz durch die beiden anderen Gewalten sei erforderlich, damit sie nicht Selbstzweck wird und ihrerseits die Politik diktiert. Doch: "Eine sparsam ausgestattete Justiz verliert an Autorität, verliert an Möglichkeiten, Rechtsmissbräuche der beiden anderen Gewalten rechtzeitig zu ahnden. Damit ist ihr aber auch die ihr grundgesetzlich eingeräumte Kontrolle über die beiden anderen Gewalten erschwert."

Immer wieder versuchen Legislative und Exekutive die rechtsprechende dritte Gewalt wie Messer und Gabel zu benutzen. Proteste der Richter und Staatsanwälte hat es ebenfalls immer wieder gegeben, der drohende "Stillstand der Rechtspflege" wurde vorgebracht - doch nicht oft genug. Der unermüdliche Versuch der Politik, sich der Justiz zu bedienen, bedarf ständiger Wachsamkeit und der Bereitschaft zu reagieren - nicht nur vor Wahlen. Auch die Justiz hat die Notwendigkeit der Sparsamkeit zu respektieren. Doch wenn diese zu Lasten der Bürger geht, dann muss sie aufstehen und sprechen. Nicht zuletzt dann, wenn durch Verkürzung der Rechtsmittel für Kläger und Beklagte und auch für Angeklagte gespart werden soll.

Bei Karin Schubert heißt es: "Eine Justiz, deren Schutzfunktion für den Bürger gegen den Staat von den beiden anderen Gewalten erkennbar eingeschränkt wird, verliert aber auch an Akzeptanz bei dem Bürger."

Die Gekränkten und auch jene, die um jeden Preis gewinnen wollen, sollten, wenn sie wählen, auch prüfen, was man ihnen hinsichtlich der Justiz verspricht.

Gerhard Mauz

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