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Meinung: Reformgedanken: Kabinett von gestern

Die Haushaltswoche: Zu jeder Zeit seit Gründung der Nachkriegsrepublik West ist das die Zeit der "Generalabrechnung" der Opposition mit der Regierung. Sie überlagert in der Öffentlichkeit alles, oft genug auch die Parlamentsdebatte über die Etats der verschiedenen Ressorts im Bundeskabinett.

Die Haushaltswoche: Zu jeder Zeit seit Gründung der Nachkriegsrepublik West ist das die Zeit der "Generalabrechnung" der Opposition mit der Regierung. Sie überlagert in der Öffentlichkeit alles, oft genug auch die Parlamentsdebatte über die Etats der verschiedenen Ressorts im Bundeskabinett.

Ja, das Kabinett: Ursprünglich der enge Kreis von persönlichen Ratgebern des Fürsten. Da hat sich einiges geändert, aus den Privatgemächern sind sie heraus. Aber heute scheinen darüber hinaus nur noch kleine Kabinettsreformen zu gelingen, manchmal sogar keine, wie zuletzt unter dem monarchisch regierenden Helmut Kohl. Dabei zeigt ein Blick auf den Beginn der Bundeskabinette, wie nötig Veränderungen sind. Die Zeit erfordert sie: Im ersten Kabinett gab es den Zuständigen für den Marshallplan, im zweiten den für Atomfragen, der dann im dritten für "Atomkernenergie und Wasserwirtschaft" verantwortlich war, auch im dritten den für den "Wirtschaftlichen Besitz des Bundes", im vierten den Minister für den "Schatz". Den Schatzminister, zum Beispiel, gibt es nicht mehr; es gab zwar im gegenwärtigen Kabinett einen selbsternannten Schatzkanzler, den aber nur kurzzeitig.

Wie müsste heute, wo ständig über den "modernen Staat" geredet wird, ein modernes Kabinett aussehen? Im Grunde suchen sich die Themen ihre Verantwortlichen. Nicht um die "klassischen" Bereiche geht es, um öffentliche Sicherheit im Inneren und Äußeren, die der Staat seinen Bürgern schuldet, also in Gestalt der Ministerien Innen, Außen und Verteidigung. Auch Rechtssicherheit ist nötig, wozu es eines Ressorts für Justizfragen bedarf. Als letztes in dieser Reihe: Das Bundesministerum der Finanzen, das über das staatliche Geld, die Steuern und die sparsame Verwendung im Sinne von Nachhaltigkeit für die kommenden Generationen wacht. Soweit der Grundbestand.

Für den Rest aber gilt noch mehr das Stichwort Nachhaltigkeit. Unter diesem Gesichtspunkt ist dieser Satz zwingend: Nachhaltigkeit wird nicht durch Klientelpolitik gewährleistet. Die Frage stellt sich schon, warum ein Landwirtschaftsminister ständig aus den Reihen der Bauern kommt, wo doch ein Verkehrsminister auch nicht immer ADAC-Funktionär ist. Das zeigt, als Kalauer, das Problem: Anstatt wenigstens quer zu den Interessengruppen Minister auszuwählen, um einen Interessen-Ausgleich zu schaffen, werden sie oft genug nur bedient, um Unruhe zu vermeiden. Lieber weiter subventionieren, als beherzt zu reformieren? Das schafft auf Dauer nur eines: nachhaltige Verärgerung.

So lauten einige der Themen, die sich ihre Verantwortlichen suchen: Raumordnung, Landes- und Verkehrsplanung, sie gehören in ein Infrastrukturministerium. Dazu passen würde die Politikverantwortung für den ländlichen Raum. Bauen und Wohnen - ein Ressort. Die Arbeitslosenzahl von 3,5 Millionen, die das Anwerfen einer "Jobmaschine" erfordert wie unter Robert Reich in Amerika - sie bedeutet, dass am besten ein Arbeits- und Wirtschaftsministerium entstünde. Die Wirtschaft gibt das Stichwort "New Economy", also gehört dazu im Ministerium ein Link zu Fragen des Internets. Soziale Fragen und Gesundheit sollten wieder in ein Ressort, zusammen mit dem Verbraucherschutz vielleicht. Und dann noch, endlich, wirklich, müsste ein echtes Zukunftsministerum als Querschnittsressort geschaffen werden. Die letzte Regierung war da schon auf dem richtigen Weg: Wissen, Forschen, das Genthema, die Verbreitung des Internets und ihre Chancen, hier würden die Gesellschaft ihre Subventionen nicht reuen.

Wir brauchen kein Gerede über Leitkultur, sondern eine moderne Gesellschaft, sagt der Kanzler. Dazu gehört ein neues Kabinett. Eines, das im Kernbereich klassisch ist, quer zu den Lobbygruppen steht, die Nachhaltigkeit gewährleistet und die Zukunft organisiert. Das wäre ein schönes Projekt für einen Kanzler, für einen Reformkanzler.

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